Virtueller Bücher-Talk mit dem Literaturmuseum

Über Karlsruher Krimis, die 8. Literaturtage und provokative Taschendesigns

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Jennifer · März 2020

Vorerst bis zum 19. April ist leider auch das Museum für Literatur am Oberrhein im schönen PrinzMaxPalais für den Besucherverkehr geschlossen. Während für die einen umso mehr Arbeit anfällt, sitzen auch viele mit etwas mehr Freizeit in den eigenen vier Wänden – Wir haben uns per Mail Matthias Walz, den Pressesprecher der Literarischen Gesellschaft, geschnappt und zu Lesetipps, Literaturtage-Updates und mehr ausgefragt.

Unser Stargast:

Matthias Walz ist Pressesprecher der Literarischen Gesellschaft und damit auch des Literaturmuseums - und natürlich auch in seiner Freizeit begeisterter Bücherwurm.

Leider können wir momentan Eure Ständige Ausstellung im Museum für Literatur im PrinzMaxPalais nicht besuchen. Was ist denn Dein Lieblingsexponat und wieso?

Der Original-Schreibtisch von Johann Peter Hebel aus seiner Karlsruher Zeit! Weil er Platz bietet für gleich zwei Hebel-Gesamtausgaben: Die Hebel-Gesamtausgabe von 1832/34 (links) und die aktuelle Version von 2019, die nun in zweiter Auflage erscheint (rechts). Letztere erfasst erstmals vollständig die literarischen und theoretischen Schriften von Johann Peter Hebel. Bekannte und zahlreiche unveröffentlichte Texte dokumentieren das facettenreiche Werk des Theologen und Schriftstellers. Die kommentierte Studienausgabe in sechs Bänden wurde im Auftrag der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe und von Jan Knopf, Franz Littmann und Hansgeorg Schmidt-Bergmann unter der Mitarbeit von Esther Stern erstellt.

Stolze 6 umfangreiche Bände umfasst die neue Publikation

Johann Peter Hebel, gemalt von Philipp Jakob Becker, Pastell auf Papier, 1807

Dein Buchtipp für einen Roman, der in Karlsruhe spielt?

„Angst in der Fächerstadt“ ist ein spannender Kriminalroman, der wegen seiner Thematik – „fehlende soziale Verantwortung von Lebensmittelherstellern“ – aktuell ist: Es geht um eine unbekannte Leiche im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien und islamistische Bombendrohungen auf den Verpackungen einzelner Bio-Eiweiß-Produkte. Kriminalhauptkommissar Georg König steht vor einem Rätsel. Seine Frau, Journalistin Amadea König, ist davon überzeugt, dass zu viel Eiweiß für den Tod ihres Nachbarn verantwortlich ist. Als sie einen Lebensmittelskandal aufdeckt, wird Amadea selbst zur Zielscheibe.

Ich habe die sympathische Autorin Helen Kampen im Rahmen der von uns organisierten Karlsruher Lesenacht kennengelernt und lesen gehört. Sie sensibilisiert die Leserinnen und Leser für ein gesellschaftliches Bewusstsein.

Und welches Buch kannst Du für die Kulturpause ganz privat empfehlen?

Auch vor dem Hintergrund, dass gerade (und in nächster Zeit) hierzulande in keinem Fußballstadion der Ball rollt: den Roman „Nicht wie ihr“ von Tonio Schachinger, den der Autor unlängst im Rahmen unserer Lesereihe LESUNG SÜD im KOHI-Kulturraum vorstellte (findet normalerweise jeden ersten Montag im Monat statt). Der junge Österreicher war mit seinem Debütroman (2019) auch dank seiner Wiener Milieusprache und seiner originellen, unverkrampften Erzählweise für mich eine Entdeckung und bei Leserinnen und Lesern sowie der Literaturkritik sehr erfolgreich. Er stand auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis 2019. In dem tragikomischen Roman geht es um Ivo Trifunovic, einen 27 Jahre alten, gut bezahlten österreichischen Fußballspieler, der als Bosnien stammt und in England sein Geld verdient. Es wird aber mehr verhandelt als nur Fußball, es geht um Zugehörigkeit, Migration, die ständige Angst vor dem Abstieg, Männlichkeitsideale und die Liebe.

Der österreichische Autor war bereits in Karlsruhe zu Gast

Welche Geschichte liest Du gerne immer und immer wieder?

„Machst du bitte mit, Henning?“ aus „Und gestern war auch schon ein Tag“. Der Erzählband von Finn-Ole Heinrich zählt – was die kurzen literarischen Formen angeht – zum Besten, was es meiner Meinung nach an deutschsprachiger aktueller, zeitgenössischer junger Gegenwartsliteratur gibt. Die Geschichte um einen Jungen in einem Heim für schwer erziehbare Kinder hinterlässt in seiner Ehrlichkeit, sprachlichen Direktheit und auch seinem Humor hohe Faszination.

Im Oktober starten die bereits 8. Literaturtage Karlsruhe – kannst Du uns unverbindlich schon etwas über das Programm verraten? Worauf können sich Literaturfreunde im Herbst ganz besonders freuen?

„Literatur offensiv!“ lautet auch dieses Jahr das Motto des wichtigsten Literaturforums der Stadt, das unmittelbar und direkt Literatur aus Karlsruhe und der Region an außergewöhnlichen Leseorten präsentiert. Zahlreiche Karlsruher Institutionen und Initiativen beteiligen sich unter Federführung der Literarischen Gesellschaft an den Literaturtagen Karlsruhe 2020, die in diesem Jahr offiziell ab dem 4. Oktober 2020 mit dem Dead-and-Alive-Slam des Badischen Staatstheaters im Großen Haus beginnen. Hier treffen „tote“ Dichter auf junge Poetry Slamer*innen – ein Format, das Geschichte und Gegenwart der Literatur kurzweilig aufeinandertreffen lässt. Ich kann und will natürlich heute noch nicht zu viel verraten, aber es wird Lesungen im Fahrstuhl, im Ballettsaal, in Cafés, in Galerien, in Museen, im Naturschutzzentrum Karlsruhe-Rappenwört und vielen weiteren Orten geben. Die Vielfalt des Programmangebots verblüfft und begeistert uns immer wieder aufs Neue. Die Karlsruher Literaturszene ist vielfältig und von außergewöhnlicher Qualität. Und die Beliebtheit der Veranstaltungen bestärkt uns darin, die gute Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern fortzusetzen!

Vielen Dank für das Interview, lieber Matthias! Ob literarische Klassiker, Krimi oder Fußballer-Roman - für jeden unserer Leser*innen ist etwas dabei. Auch wir stöbern gleich mal los und freuen uns schon sehr auf die Literaturtage im Oktober, bei denen wir uns dann hoffentlich wieder persönlich über unsere gelesenen Geschichten austauschen und neue spannende Geschichten entdecken können!

Zu guter Letzt: Für diejenigen, die gerade viel Zeit daheim überbrücken und lieber drinbleiben möchten: Gebt uns einen „Writing Prompt“ zum kreativen Schreiben!

Überlegt euch gerne schon einmal Motto für unsere neuen Jutetaschen im nächsten Jahr! Auf unserer aktuellen steht „Lesen hilft.“ Das wird auch dieses Jahr so bleiben. Aber im kommenden Jahr wollen wir wieder beutelweise gute Stimmung und literarische Impulse in die Stadt tragen. Schickt Eure Vorschläge gerne an kultur@karlsuhe-tourismus.de

Niemand muss Kulturhunger leiden! Dass unsere Kultureinrichtungen in der Zwangspause keineswegs pausieren, sondern mehr und mehr kreative Angebote auf der digitalen Schiene aufziehen, könnt Ihr hier sehen:

www.karlsruhe-erleben.de/smartathome

Bleibt gesund! Reinschauen, mitmachen und Kultur tanken!