Kunstvermittlung im Prozess – Die ZKM | Museumskommunikation

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Katja · April 2020

Kunst, Kultur und Medien für Besucher*innen aller Altersgruppen auf interdisziplinäre und interaktive Art und Weise verständlich machen – genau das setzt sich das Team der Museumskommunikation des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) als Ziel. Mit welchen verschiedenen spannenden Formaten die ZKM | Museumskommunikation – kurz ZKM | MusKom – einen besonderen Zugang zu aktuellen, gesellschaftspolitischen Themen gewinnen möchte und was genau die Arbeit als Kunst-, Kultur- und Medienvermittler*in so interessant macht, möchten wir in einem virtuellen Interview mit dem Team der ZKM | MusKom herausfinden.

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Alex Hermann, Janine Burger und Sabine Faller (v.l.n.r.); © ZKM | Museumskommunikation

Unsere Stargäste: 

Janine Burger Leiterin der ZKM | Museumskommunikation

Bereits im Jahr 1992 begann Janine Burger während ihres Studiums als freie Mitarbeiterin im ZKM tätig zu werden. Damals war das ZKM auf verschiedene Gebäude in der Stadt verteilt, hatte keine Ausstellungsfläche und konnte sich den BürgerInnen nur über das Medienkunst-Festival "Multimediale" ausführlich präsentieren. Die Museumskommunikation gab es zu dieser Zeit nicht. Janine Burger arbeitete im damaligen Institut für Bildmedien und in der Mediathek. Erst mit dem Umzug des ZKM 1997 in den Hallenbau A mit 14.000 qm Ausstellungsfläche, kam es zur Gründung der Kunstvermittlung. Lichthof 1+2 bekam die Abteilung Museumspädagogik und Lichthof 8+9 die Abteilung Museumskommunikation. Als HfG Karlsruhe-Studentin der Fächer Kunstwissenschaften und Medientheorie wurde Janine Burger die Möglichkeit geboten, als freie Kunstvermittlerin am ZKM zu arbeiten, was für sie damals unglaublich aufregend und inspirierend war. Später bekam sie das Angebot als wissenschaftliche Mitarbeiterin direkt im Herzen der Museumskommunikation zu arbeiten. Als im Jahr 2006 beide Kunstvermittlungsabteilungen im ZKM fusioniert werden sollten, bot man Janine Burger diese Aufgabe an - die sie bis heute sehr gerne übernimmt.

Sabine Faller, wissenschaftliche Mitarbeiterin der ZKM | Museumskommunikation

Medienkunst hat Sabine Faller schon immer begeistert. Nach ihrer Ausbildung als Kunstlehrerin hat sie alles auf eine Karte gesetzt und sich für ein wissenschaftliches Volontariat im ZKM beworben. Nach bereits 4 Jahren ist Sabine Faller nach wie vor begeistert von ihrem Job, der ihr die Möglichkeit bietet, ihren kreativen Ideen freien Lauf zu geben und zu experimentieren, dass sie pädagogische wie auch künstlerische Ideen umsetzen und weiterentwickeln kann.

Alex Hermann, Praktikantin und ab 1. Mai studentische Hilfskraft der ZKM | Museumskommunikation

Ihren Weg in das ZKM hat Alex Hermann über ihr Masterstudium gefunden. Aktuell studiert sie Kulturvermittlung an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe. Da Kultur so vielfältig gelebt werden kann, gibt es für sie viele verschiedene Bereiche in denen die Vermittlungsarbeit ansetzt. Die Vermittlung künstlerischer Inhalte hat Alex Hermann immer am meisten fasziniert. Schließlich habe sie sich für eine Praktikumsstelle in der Museumskommunikation beworben und war umso glücklicher, ihr Interesse für digitale Praktiken und Kunst mit dem theoretischen Wissen meines Studiums in der in der Praxis umsetzen zu können. Mittlerweile arbeitet sie als wissenschaftliche Hilfskraft der Museumskommunikation.

Was findet ihr an eurem Beruf besonders interessant?

Janine Burger: Der Kontakt mit Menschen. Egal welches Alter, welche Herkunft, welches Verständnis für Kunst - Sobald sie mit uns Kontakt haben, können wir mit ihnen zusammen die Welt des ZKM entdecken. Wir können durch unsere Arbeit zeitgenössische Kunst und aktuelle gesellschaftspolitische Themen erforschen und bearbeiten und dieses Wissen mit unseren Gästen teilen und diskutieren. Bildung ohne Bildungsdruck ist fantastisch!

Sabine Faller: Die ständige Herausforderung, sich mit Neugierde, verrückten Ideen und Teamgeist in neue Themen kommender Ausstellungen zusammen einzudenken und einzuarbeiten.

Alex Hermann: Kunst ist Teil unserer kulturellen Praxis und Gesellschaft. Oft ist es jedoch so, dass der Zugang zur Kunst nicht ganz barrierefrei ist und es viele verschiedene Hürden gibt, die den Zugang zur Kunst gar nicht so einfach machen. Wir sind der der Meinung, dass Kunst für alle Menschen da ist! Deshalb finde ich es besonders toll, dass die künstlerische Vermittlungsarbeit das Ziel verfolgt diese Hürden abzubauen und das Potential Kunst zu sehen, zu verstehen und selbst kreativ zu sein gefördert wird.

© ZKM

© Sabine Faller

Warum ist die Museumskommunikation so wichtig?

Janine Burger: Alleine der Name sagt es schon: Wegen der Kommunikation im Museum! Wir sehen uns als moderierende Vermittler*innen vor Ort und weit über die Wände, die das ZKM umschließen, hinaus. Museumskommunikation heißt für uns Kunstvermittlung im Prozess. Wir erzeugen mit unseren Formaten kommunikative Situationen zwischen den Besucher*innen, der Kunst, den Kurator*innen und anderen an den Ausstellungen beteiligten Kolleg*innen. Museumskommunikation ist interdisziplinär, crossmedial und partizipativ.

Sabine Faller: Kreativität, Kollaboration, Kommunikation, Kritisches Denken

Welche Formate bietet ihr an und welches ist euer Lieblings-Format?

Janine Burger: Unsere Formate sind sehr abwechslungsreich - wie auch unsere Gäste. Es gibt neben den dialogischen Gruppenführungen, Aktionsführungen, bei denen im Rahmen der Führung eine kleine praktische Aktion stattfindet. Des Weiteren gibt es viele Führungen zu bestimmten Themen, bei denen wir auch mit einer Choreografin zusammenarbeiten oder mit der evangelischen und katholischen Kirche. Unser Workshop Programm ist eine gute Mischung aus analogen und digitalen Programmen. Das heißt wir arbeiten im analogen Raum - gerne auch mit digitalen Devices und seit Corona auch vermehrt im digitalen Raum. Aber auch langfristige Projekte mit anderen Bildungseinrichtungen, Kulturinstitutionen, Firmen und Schulen finden bei uns über das gesamte Jahr statt. Ein explizites Lieblingsformat habe ich nicht. Meist sind es die aktuellen, die einem dann natürlich besonders am Herzen liegen.

Sabine Faller: Ich liebe unsere Stipendienprogramme für junge begabte Schüler*innen mit einem Schwerpunkt in der Medienkunst. Ein Beispiel ist die Masterclass am ZKM, das Stipendium unterstützt ausgewählte Jugendliche während eines Schuljahres. Im Programm lernen die Schüler*innen aktuelle Kunstströmungen wie auch das ZKM kennen, durchlaufen medienpraktische Workshops und erhalten individuelle Unterstützung durch ZKM-Mentor*innen. Dieses Jahr planen wir übrigens aufgrund Corona etwas Besonderes: eine digitale Ausstellung der Abschlusswerke der jungen Talente.

Die Kulturakademie im ZKM; © Elias Siebert

Masterclass am ZKM; © Elias Siebert

Was ist das Besondere an der Vermittlung beim ZKM?

Janine Burger: Für uns bedeutet Vermittlung die Chance für unsere Gäste, jeglichen Alters, digitale Strategien und analoge Ideen auszuprobieren. Dabei begleiten wir sie mit unseren Expertisen in Form einer »so gut es geht-gleichberechtigten« Wissensvermittlung. Der Einsatz von Digitalen Strategien kann nur mit Offenheit und Kollaboration funktionieren. Alle müssen mit beteiligt sein. Nur in der Kommunikation, im Dialog und im Teilen von Informationen können spannende neue Inhalte entwickelt werden.

Sabine Faller: Partizipation und Augenhöhe.

Alex Hermann: Die Vermittlungsarbeit der Museumskommunikation am ZKM zeichnet sich für mich vor allem dadurch aus, dass analoge Vermittlungskonzepte mit digitalen Formaten verknüpft werden, welche in der klassischen Museumspädagogik bislang wenig Beachtung finden. Das ist besonders spannend, denn noch immer wird Kunst und Medienpraxis oft getrennt gedacht, obwohl es sich bei beidem um kulturelle Phänomen handelt die sich gegenseitig beeinflussen. Deshalb finde ich es umso wichtiger Digitalität und Kunst nicht getrennt voneinander zu betrachten, sondern auch bei der Vermittlungsarbeit miteinander zu verbinden. So werden nicht nur Barrieren in der Zugänglichkeit zu Kunst abgebaut, sondern auch digitale Schlüsselkompetenzen gefördert um digitale Hürden abgebaut.

Lötkurs Workshop; © Elias Siebert

Tablet Art; © Elias Siebert

Mit welcher Gruppe an Besucher*innen arbeitet ihr am liebsten zusammen?

Janine Burger, Sabine Faller und Alex Hermann: Mit allen!!! Gerade die Heterogenität gibt uns Kunstvermittler*innen eine große Flexibilität unsere Angebote und Formate immer wieder aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, zu hinterfragen und neu zu denken. Das ist eine Herausforderung, die unglaublich Freude bereitet.

Mit welchen Wegen möchtet ihr sowohl analog als auch digital Kultur vermitteln?

Janine Burger: Mit allen Wegen, die uns zur Verfügung stehen. Aber auch mit all den neuen Wegen, die wir im Austausch mit nationalen und internationalen Kunstvermittler*innen entdecken. Neugier, Transparenz im Austausch und den Mut neue Wege einzuschlagen und diese schlimmstenfalls wieder zu verlassen, sind für die Innovation unserer Arbeit unerlässlich. Dies gilt sowohl für das Analoge wie auch für das Digitale, denn wir denken beide Wege auf Schritt und Tritt.

© Elias Siebert

© Elias Siebert

Wie seid ihr auf die spannenden Ideen zu den verschiedenen Formaten gekommen?

Janine Burger: Wir probieren viele Ideen selbst aus, sammeln alle spannenden Eindrücke auf Tagungen, im Austausch mit anderen Kreativen, blicken weit über unseren Tellerrand hinaus, sind neugierig und stellen Fragen… an unsere Gäste, an ExpertInnen, an KollegInnen, Freunde, Familie… Wir lesen viel (soweit Zeit dazu ist), unterrichten (ein ganz wichtiger Austausch auch für uns) und teilen in unserer "MusKom"-Gruppe jede für uns aufregende Entdeckung. Vielleicht spielen die Entdeckungen nicht gleich eine aktive Rolle, aber irgendwann fällt jemanden von uns diese wieder ein und wir entwickeln daraus ein neues Format für unsere Ausstellungen oder für spezielle Werke.

Sabine Faller: Wenn ich Konzepte für neue Formate umsetzte kommt eigentlich alles zusammen: Inspiration durch eigene künstlerische Projekte aus Subkultur und Feminismus, Fachliteratur und Online-Recherche, Ideenaustausch beim Kaffee trinken mit Kolleg*innen, Rückgriff auf den Methodenfundus aus meiner Ausbildung als Kunstpädagogin und eigentlich allen Tätigkeiten und Jobs neben dem Studium, Fachliche Vernetzung mit Kolleg*innen, etwas Zeitdruck - und klar, der Dialog und das Feedback mit unseren Besucher*innen, sowie die Motivation dann zusammen mit unseren Gästen eine gute Zeit zu haben.

Wie verschafft ihr euch Zugang zu Besucher*innen, die weniger Bezug zur digitale Welt haben, wie zum Beispiel Kindern oder älteren Menschen?

Janine Burger: Kinder und Jugendliche sind eine sehr große Zielgruppe im ZKM, sodass der Zugang für uns ein täglich gegebener ist. Viele kommen bereits als Kleinkinder mit ihren Eltern zu uns, andere besuchen als Vorschulkind unsere sehr beliebten, mehrwöchigen Kindergarten-Kurse, feiern ihren Geburtstag bei uns, machen später ihr Schülerpraktikum bei uns und sind vor allem regelmäßiger Gast mit ihrer Schule. Abgesehen davon hat gerade diese Besucher*innen Gruppe einen sehr engen Bezug zur digitalen Welt.

Ältere Menschen... wann beginnt man denn ein älterer Mensch zu sein? Und hat man dann unweigerlich einen geringeren Bezug zur digitalen Welt? Falls ja, dann hat dieser schreckliche Corona-Virus einen positiven Beitrag geleistet - nämlich die eigene Hemmschwelle zu überwinden, sich mit der digitalen Welt und den Social Media Angeboten (kritisch) auseinanderzusetzen, sodass wir auch von der Ferne aus weiterhin uns nah sein können.

Im ZKM achten wir sehr darauf all die Menschen, die nicht so sehr mit der digitalen Welt vertraut sind, ebenfalls abzuholen. In Form von Vermittlungsprogrammen, die wir im Haus entwickeln oder in Kooperation mit anderen Bildungseinrichtungen. Eine ganz außergewöhnlich gute Kooperationspartnerschaft haben wir mit der evangelischen und katholischen Kirche. Mit ihnen veranstalten wir jeden Monat die Führung "Überschreitungen", in der ein Theologe und eine Kunstvermittlerin gemeinsam durch eine Ausstellung führen. Jahreshighlight ist unser ökumenischer Gottesdienst, der direkt in einer unserer Ausstellungen stattfindet, direkt zwischen den Kunstwerken, mit einem direkten inhaltlichen Bezug zwischen der Liturgie eines ökumenischen Gottesdienstes und unserem kuratorischem Konzept.

Leider wissen wir zum heutigen Zeitpunkt noch nicht, wenn wir diese Programme wieder anbieten können - am besten Ihr besucht immer mal wieder unsere Webseite zkm.de. Wir hoffen, dass wir noch dieses Jahr den Gottesdienst in der kommenden Ausstellung "Critical Zones - Horizonte einer neuen Erdpolitik" feiern können - auch hier konnten wir den Termin aufgrund der derzeitigen Corona-Situation noch nicht festlegen.

© Elias Siebert

© Elias Siebert

Welches Format/Projekt würdet ihr außerdem gerne am ZKM ausprobieren und welche Formate stehen in Zukunft noch an?

Janine Burger: Ich bin großer Fan von kollaborativen Vermittlungsprojekten, gerne direkt in unseren Ausstellungen und gerne darüber hinaus auf digitalen Plattformen. Denn diese ermöglichen unsere Ideen, Ausstellungen und Werke so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen.
Ein großes Projekt, das wunderschön wäre zu verwirklichen, wäre wie man die 24 Stunden eines Tages auf mindestens 34 Stunden dehnen kann, damit wir all die Ideen, die wir haben verwirklichen können :-) Nein, Spaß bei Seite. Ich würde gerne (noch) mehr Formate haben, die unsere Gesellschaft bildet, in einem kritischen aber positiven Umgang mit den analogen/digitalen Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Ich bin überzeugt, dass Kunst- und Kulturvermittlung hierzu einen sehr wichtigen Beitrag leisten können.

Sabine Faller: Ich würde gerne intensiver interaktive Formate der Kunstvermittlung für den virtuellen Raum gestalten, um Themen wie Digitalisierung, Medienkunst oder Teilhabe mit einem größeren Publikum zu teilen, auch international.

Alex Hermann: Am kommenden Freitag um 16 Uhr findet unser erster digitaler Flashmob auf Instagram statt. Vielleicht seid ihr ja dabei: @zkm_muskom. Dabei werden die Ergebnisse der Seifenblasentutorials gefeiert, die man auf unserem zkm_muskom-Account findet. Wir beziehen uns dabei auf ZKM-Kunstwerke wie z.B. "Bubbles" von Kiyoshi Furukawa und Wolfgang Münch, die aufgrund der momentanen Lage leider nicht besucht werden können, aber so Zuhause erlebbar gemacht werden.
Wir sind total gespannt, wie das funktioniert, denn auch wir experimentieren gerade mit neuen Wegen der Kunstvermittlung. Außerdem arbeiten wir auf Hochtouren daran, andere analoge Formate unserer Kreativwerkstätten in digitale Formen zu bringen. Bald folgen Kooperationen mit anderen Museen, Tutorials, Live-Workshops für Schulklassen und Privatpersonen. Es bleibt also spannend!

Vielen Dank, liebes Team der ZKM | Museumskommunikation für das tolle Interview! Wir freuen uns schon auf eure nächsten Projekte!

Wie Ihr wisst, muss niemand Kulturhunger leiden! Dass unsere Kultureinrichtungen in der Zwangspause keineswegs pausieren, sondern mehr und mehr kreative Angebote auf der digitalen Schiene aufziehen, seht Ihr hier:

www.karlsruhe-tourismus.de/kulturathome

Bleibt gesund! Reinschauen, mitmachen und Kultur tanken!