Wie BookTok die Literaturwelt verändert
Eine besondere "allmende – Zeitschrift für Literatur"
Die aktuelle allmende – Zeitschrift für Literatur untersucht, wie BookTok die Literaturwelt verändert. Junge Leser:innen setzen auf TikTok Trends, die Bestseller und neue Genres wie „Romantasy“ beeinflussen. Die 113. Ausgabe der allmende bietet Einblicke von Autor:innen und BookTok-Influencer und fragt: Ist BookTok ein Trend oder die Zukunft der Literaturvermittlung? Mehr dazu könnt Ihr im Folgenden lesen.
Die Literaturszene erlebt seit einigen Jahren eine neue Form der Kritik und Begeisterung – und das liegt zu einem großen Teil an TikTok, genauer gesagt am Phänomen „BookTok“. Die im Juli 2024 erschienene 113. Ausgabe der allmende – Zeitschrift für Literatur widmet sich diesem aktuellen Trend und untersucht, wie Social Media Plattformen, allen voran TikTok, die Art, wie wir lesen, bewerten und Literatur entdecken, verändern. Judith Samp, Volontärin der Literarischen Gesellschaft, die gemeinsam mit dem Herausgeber Hansgeorg Schmidt-Bergmann, Matthias Walz und Christina Will diese besondere Ausgabe betreut hat, gibt Einblicke in die spannende Entwicklung und die Relevanz von BookTok.
Was ist BookTok und warum ist es relevant?
BookTok ist eine riesige Online-Community von Literaturbegeisterten auf TikTok, die sich seit etwa 2020 etabliert hat. Durch kurze Videos, sogenannte Clips, tauschen sich Leser:innen über Bücher aus, geben Empfehlungen und sprechen über Leseerlebnisse. „Es ist fast wie ein globaler, moderner Lesezirkel“, erklärt Samp. Die Plattform hat das Potenzial, neue Bestseller zu schaffen und den Markt für bestimmte Literaturthemen deutlich zu beeinflussen. Besonders Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von etwa 16 bis Ende 20 sind von BookTok begeistert, und diese Zielgruppe treibt neue Trends in der Literaturwelt aktiv voran.
Ein Highlight der aktuellen allmende sind Beiträge von Autor:innen, Mitarbeiter:innen großer Buchhandlungen und bekannten BookTok-Creator:innen. Diese Interviews und Artikel beleuchten, wie sich der Literaturmarkt durch BookTok verändert: Verkaufszahlen für bestimmte Titel schnellen in die Höhe, wenn sie auf TikTok populär werden, und ganze Buchregale, wie etwa "BookTok"-Regale in Buchhandlungen, orientieren sich an den Empfehlungen von Influencer:innen wie Tabea Grunert. Auch die Struktur vieler neuer Romane wird von BookTok beeinflusst: Beliebte Themen wie „Enemies to Lovers“ oder „Mauerblümchen zum It-Girl“ prägen die Storylines vieler Bücher, da Autor:innen versuchen, diesen Trends gerecht zu werden.
Die 113. Ausgabe der „allmende“: Eine Ausgabe für eine jüngere Leser:innenschaft
Während sich die Zeitschrift allmende normalerweise an eine nicht mehr so junge Zielgruppe richtet, zeigt die 113. Ausgabe in vielerlei Hinsicht eine neue Seite. Die Gestaltung der Ausgabe spielt mit den Pastelltönen und bunten Farbschemen, die auf TikTok so präsent sind, und die Inhalte sprechen auch jüngere Leser:innen an. „Die letzten Ausgaben waren eher düster und thematisch von Krisen geprägt,“ sagt Samp, „doch diesmal haben wir versucht, auf den aktuellen Diskurs von BookTok einzugehen und eine Ausgabe zu gestalten, die dynamisch und farbenfroh ist.“
Als besonderes Feature gibt es in dieser Ausgabe ein Glossar der „Let’s Tok Facts“, das einige der gängigen Begriffe aus der BookTok-Community erklärt. Von „Tropes“ (Handlungsmuster) über Begriffe wie „Romantasy“ bis hin zu den typischen BookTok-Genres ist alles dabei, was den Einstieg in die BookTok-Welt erleichtert.
Herausforderungen und Chancen durch Social Media
Das Team der allmende setzte sich intensiv mit der Frage auseinander, wie BookTok die Literatur nachhaltig verändert – und welche Chancen sowie Herausforderungen dabei entstehen. „Für die älteren Teammitglieder war es eventuell eine Herausforderung, sich in die TikTok-Mechanismen und die Kultur der Plattform einzuarbeiten“, erklärt Samp. Die jüngeren Redaktionsmitglieder waren jedoch schon durch ihr Interesse an Literatur und sozialen Medien mit den BookTok-Trends vertraut.
Während BookTok eine neue Form der Literaturkritik ermöglicht, bei der alle Kritiker:innen werden können, bringt diese Entwicklung auch Herausforderungen mit sich. Autor:innen erleben zunehmend einen Druck, ihre Werke an die beliebten Tropes und Handlungsmuster von BookTok anzupassen. Auch das Phänomen „Shitstorms“ und das sogenannte „Autor:innencancelling“ kann für Schriftsteller:innen eine große Belastung darstellen. Kritische Stimmen befürchten sogar, dass durch die Anpassung an Trends auf Dauer die literarische Vielfalt leiden könnte und nur noch ähnliche Bücher erscheinen werden. Dennoch betont Samp, dass BookTok und die damit verbundenen Trends auch das Potenzial haben, neue Zielgruppen zu erreichen und die klassische Literatur wieder ins Bewusstsein der Leser:innen zu rücken.
Neue Erkenntnisse und die Rückkehr der Klassiker
Eine spannende Entwicklung, die das Team der Literarischen Gesellschaft bei der Vorbereitung der allmende-Ausgabe beobachtete, war die Rückkehr zur klassischen Literatur. Durch BookTok wurden deutsche Klassiker wie Franz Kafka und Stefan Zweig wieder populär und weltweit gelesen – ein Trend, den kaum jemand so stark erwartet hatte. In der 113. Ausgabe wird zudem die Entstehung neuer Genres beleuchtet: „Romantasy“, eine Mischung aus Romanze und Fantasy, erlebt auf BookTok großen Zuspruch und zeigt, wie Social Media die Genrelandschaft verändert.
Eine weitere Besonderheit sind die Literaturempfehlungen der Redaktion, die in dieser Ausgabe einige aktuelle und klassische Werke vorstellen. Damit richtet sich die allmende an eine breite Leser:innenschaft und gibt Anregungen sowohl für Neuerscheinungen als auch für Werke, die im BookTok-Kosmos an Bedeutung gewonnen haben.
BookTok – Ein kurzweiliger Hype oder Zukunft der Literaturvermittlung?
Ein zentrales Thema in dieser allmende-Ausgabe ist die Frage, ob BookTok nur ein vorübergehender Hype ist oder ob diese Art der Literaturvermittlung langfristig bestehen bleibt. Samp und ihre Kolleg:innen sind sich einig, dass Social Media schnelllebig ist, aber BookTok aufgrund seines Erfolgs eine nachhaltige Wirkung haben könnte. Besonders in der Pandemiezeit, als viele Menschen nach Ablenkung und Inspiration suchten, wurde BookTok zu einer bedeutenden Anlaufstelle für Literaturbegeisterte.
„Wir befinden uns mitten in einer Transformation, und noch lässt sich nicht abschätzen, welchen dauerhaften Einfluss BookTok haben wird“, erklärt Samp. Die neue Ausgabe der allmende zeigt, dass BookTok ein Phänomen ist, das es Wert ist, weiter erforscht und beobachtet zu werden – mit all seinen Chancen und Herausforderungen.
Fazit: Die allmende öffnet sich neuen Perspektiven
Die 113. Ausgabe der allmende ist ein lebendiger und vielseitiger Beitrag zum Thema BookTok und zeigt, wie Social Media die Literaturszene prägt. Mit dieser bunten und pastellfarbenen Ausgabe wendet sich die Zeitschrift an eine jüngere Leser:innenschaft und vermittelt zugleich ein umfassendes Bild der BookTok-Bewegung. Für Literaturinteressierte, Kritiker:innen und Autor:innen gleichermaßen bietet diese Ausgabe spannende Einblicke in eine Community, die wie kaum eine andere die Welt der Literatur bewegt.