BarabásiLab. Hidden Patterns – Netzwerkdenken

Ausstellung im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe

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Maëlle & Katja · August 2021

Heutzutage produzieren wir in der Welt so viele Daten pro Tag wie nie zuvor. Um diese Datenmenge bewältigen zu können, braucht es eine neue Wissenschaft. Die Ausstellung „BarabásiLab. Hidden Patterns“ im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien stellt die Forschungsarbeiten des ungarischen Physikers und Netzwerk-Wissenschaftlers Albert-László Barabási und seines Teams, des BarabásiLabs, vor. Wir waren vor Ort und konnten die Entwicklung der Netzwerk-Visualisierung innerhalb der letzten 20 Jahre nachverfolgen. Seid gespannt auf bunte, funkelnde und prachtvolle Ausstellungsstücke, die einen Einblick in neue wissenschaftliche Untersuchungen geben. Die zunächst komplex klingenden Themen wie „Daten“ oder „Statistiken“ werden dabei verständlicher gemacht und sind noch dazu schön anzusehen. Wir geben Euch mit unserer Auswahl an Exponaten einen kleinen Vorgeschmack.

Cosmic Web (2016) – Die Verbundenheit des Universums

Im ersten Teil der Ausstellung finden wir an einer Eckwand das Projekt „Cosmic Web“. Stellt Ihr Euch in diese Ecke, bekommt Ihr den Eindruck, das kosmische Netz fliegt auf Euch. Ihr befindet Euch also direkt auf einem Ausflug durch das Universum und könnt gleichzeitig deren Ursprünge entdecken. Für die Entstehung des „Cosmic Web“ hat das BarabásiLab Daten zu 24.000 Galaxien einer kosmologischen Simulation verwendet, die die Entwicklung aller Galaxien seit dem Urknall nachzeichnet. Anschließend wurden verschiedene Arten von Verbindungen getestet, um einzelne Galaxien miteinander zu verknüpfen und so physikalisch und kosmologisch begründete Abhängigkeiten zu erfassen. Gemeinsam mit einem Team aus Netzwerkwissenschaftler*innen und Kosmolog*innen entwickelte der BarabásiLab-Designer Kim Albrecht eine Reihe von Bildern und Videos, die die Struktur des kosmischen Netzes zum Leben erwecken. Bis ins kleinste Detail wurden die Beziehungen zwischen den Galaxien mit diesen Visualisierungen erfasst. Stellt Euch selbst mal rein und lasst Euch ein auf eine kleine Reise durch das Universum!

Albert-László Barabási und Peter Weibel in der Ausstellung vor dem Exponat "Cosmic Web", Foto: © Felix Grünschloß

"The Cosmic Web"; Kim Albrecht, Albert-László Barabási, Bruno Coutinho, Arjun Dey, Lars Hernquist, Paul Torrey, Mark Vogelsberger; © BarabásiLab

Flavor Network (2011) – Weltkarte der Nahrungsmittel

Besonders fasziniert sind wir vom „Flavor Network“, dem Geschmacks-Netzwerk. Sofort entdecken wir auf der Netzwerk-Darstellung die Zutaten Zwiebel, Knoblauch, Käse, Milch, Pfeffer oder Zitrone. Was es damit auf sich hat? Das BarabásiLab hat Lebensmittel regionaler Küchen untersucht und einen netzwerkbasierten Ansatz entwickelt, um festzustellen, welche Kombinationen von Zutaten gut zusammen schmecken. Ebenso wurde eine allgemeine Logik hinter Traditionen und individuellen Geschmäckern untersucht. Verschiedene Kulturen haben zahlreiche Rezepten erfunden, die den einen schmecken, den anderen aber so gar nicht. Doch was entscheidet über unsere Präferenz für bestimmte Geschmackskomponenten, unsere Vorliebe für bestimmte Zutatenkombinationen?

Jeder Knoten des Netzwerks steht für eine Zutat. Die Knotenfarbe verweist auf die Art des Lebensmittels, zu dem diese Zutat gehört, und seine Größe richtet sich nach der Anzahl von Rezepten, in denen sie verwendet wird. Zwei Zutaten sind miteinander verbunden, wenn sie Geschmacksstoffe gemeinsam haben. Je dicker die Verbindungslinie ist, desto mehr Bestandteile haben sie gemeinsam. Die Untersuchung ergab, dass Europäer*innen Gerichte bevorzugen, die gemeinsame Geschmacksverbindungen haben, während die asiatische Küche auf Zutaten setzt, die sich ergänzen. Schaut Euch die Geschmacksverbindungen pro Land gerne mal genauer an – entdeckt Ihr Eure Lieblingszutaten wieder?

"The Flavor Network"; Foto: © Felix Grünschloß

"Flavor Network" im Detail

Fake News (2018)

Der riesige Informationsfluss, dem wir jeden Tag ausgesetzt sind, bringt auch die ein oder andere falsche Meldung mit sich. Ihr habt es erahnt, es handelt sich hierbei um die berüchtigten Fake News. Ein Begriff, welcher besonders in den letzten Jahren an Bekanntheit gewonnen hat. Doch wie genau funktionieren solche Fake News? Wo kommen sie her? Wie verbreiten sie sich? Und vor allem: Was haben sie für eine Auswirkung?

Genau das haben Netzwerkwissenschaftler*innen des Barabásilab am Beispiel des Pizzagate Skandals unter die Lupe genommen. Die Visualisierung zeigt, wie sich der Hastag #pizzagate auf Twitter von Account zu Account verbreitet hat. Die Knotenpunkte repräsentieren die Nutzerkonten und die Farbe steht für den Menschlichkeitsstatus. Tatsächlich wird ein Großteil von Twitter Accounts nicht von Menschen, sondern von Bots betrieben, was mithilfe einer Künstliche Intelligenz ausfindig gemacht werden konnte.

Das entstandene Werk kann nicht nur als Druck und als Video bestaunt werden, sondern wurde auch mit einem Laser in einen Glaswürfel geschnitten. Nicht nur absolut faszinierend, sondern auch schön anzusehen!

"Fake News"; Albert-László Barabási, Mauro Martino, Nima Dehmami, Onur Varol; © BarabásiLab

Blick in die Ausstellung; © Felix Grünschloß

Art Network (2018–2019) – Das Netzwerk der globalen Kunstszene

Habt Ihr Euch eigentlich schon mal gefragt, was mit einer Ausstellung passiert, nachdem sie abgebaut wurde? Viele Exponate einer Ausstellung werden einem anderen Museum erneut gezeigt, sodass möglichst viele Menschen sie begutachten könnenSo entstehen unsichtbare Verbindungen zwischen tausenden von Kunstinstitutionen weltweit. Diese Verbindungen macht das „Art Network“ sichtbar.

Und das geht so: In „The Art Network“ sind zwei Institutionen – zum Beispiel ein Museum und eine Galerie – miteinander verbunden, wenn das Werk einer Künstlerin oder eines Künstlers in beiden Institutionen ausgestellt wurde.

Die Knotenpunkte der Institutionen und Galerien sind farblich nach Regionen markiert, so ist Europa zum Beispiel blau, und die USA sind rot. Die Größe des Knotenpunktes bestimmt dessen Bekanntheitsgrad. Kein Wunder also, dass unter anderem das Guggenheim, das MoMa oder auch das Centre Pompidou als größte Knotenpunkte vertreten sind. Erstaunlicherweise können viele Schwärme gleichfarbiger Knotenpunkte erkannt werden. Dies deutet darauf hin, dass die Kunst meist innerhalb von Regionen oder sogar eines einzigen Landes ausgetauscht wird.

The Art Network gibt auch Aufschluss über die Auswirkungen des Netzwerks auf die Karrieren der Kunstschaffenden. In der Tat kann bestimmt werden, welchen Wert ein Kunstwerk besitzt, je nachdem, wo es zuvor ausgestellt wurde. Das Netzwerk kann also helfen, den zukünftigen Erfolg eines Künstlers oder einer Künstlerin zu bestimmen – basierend auf deren gegenwärtigen Ausstellungsorten und der Erfolgsquote der Künstler*innen, die davor denselben Weg gegangen sind.

"The Art Network"; Albert-László Barabási, Samuel P. Fraiberger, Alice Grishchenko, Magnus Resch, Christoph Riedl, Roberta Sinatra; © BarabásiLab

Sammlung von wissenschaftlichen Untersuchungen des BarabásiLabs; © Felix Grünschloß

UNSER FAZIT

„BarabásiLab. Hidden Patterns“ ist eine Ausstellung, die komplexe wissenschaftliche Untersuchungen des Forschungsteams mit anschaulichen, ästhetischen Netzwerkvisualisierungen begreifbar macht. Albert-László Barabási und seinem Forschungslabor ist es gelungen, für uns bisher verborgene Verbindungen sichtbar zu machen und gleichzeitig neue Denkanstöße zu verschiedenen wissenschaftlichen Phänomenen innerhalb unserer Gesellschaft zu geben. Hier könnt Ihr nicht nur eine Vielzahl beeindruckender Netzwerk-Kunstwerke bestaunen, sondern auch neue interessante wissenschaftliche Entdeckungen machen. Kommt vorbei:

BarabásiLab. Hidden Patterns – Netzwerkdenken
bis 16. Januar 2022 im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien