Kann das Weg? Von Abfällen und Einfällen!
Was es heißt ein Ausstellungsprojekt zu realisieren
Lena Zeiler, Volontärin am Badischen Landesmuseum, berichtet über das besondere Ausstellungsprojekt „Kann das weg? Von Abfällen und Einfällen“. Gemeinsam mit ihren Kolleg:innen hat sie das Thema Müllproduktion und -vermeidung aufgegriffen und eine Ausstellung konzipiert, die sowohl auf die Geschichte als auch auf innovative Lösungen eingeht. In ihrem Beitrag gibt sie Einblicke in den langen Prozess der Ausstellungserstellung – von der ersten Idee bis zur Eröffnung.
Eine Besonderheit des Volontariats am Badischen Landesmuseum ist es, dass wir Volontär:innen selbst eine Ausstellung erarbeiten dürfen. Für uns alle war das eine Möglichkeit, erstmals eine Ausstellung von der anfänglichen Idee bis hin zur Eröffnung zu konzipieren und zu verwirklichen. Für das Ausstellungsprojekt kamen wir regelmäßig aus den unterschiedlichen Bereichen des Museums zusammen und konnten in einem Zeitraum von knapp eineinhalb Jahren gemeinsam daran arbeiten. Mit der Unterstützung der gesamten Hausen konnten wir so unsere Ideen umsetzen und so die verschiedenen Abteilungen kennenlernen.
Die Rolle des Volontariats im Badischen Landesmuseum
Ein Volontariat bietet einen guten Einstieg in das Berufsleben. Hier können die theoretischen Kenntnisse aus dem Studium der Volontär:innen nun in der Praxis angewendet werden. Innerhalb von zwei Jahren wird dabei ein umfassender Einblick in unterschiedliche Museumstätigkeiten geschaffen und zahlreiche Erfahrungen für den weiteren Berufsweg gesammelt. Die Ausstellung gehört zu unserem Ausbildungsplan und gibt uns die Möglichkeit, alle Museumsbereiche kennenzulernen und umzusetzen. Das hieß für uns nicht nur die Objekte zusammenzustellen und die Texte der Ausstellung zu schreiben, sondern auch die Kostenkalkulation zu übernehmen, Pressetermine wahrzunehmen oder bei der Gestaltung der Ausstellung selbst Hand anzulegen.
© Badisches Landesmuseum
Die Idee hinter der Ausstellung „Kann das weg? Von Abfällen und Einflällen“
Von Anfang an ging es uns Volontär:innen darum, eines der wichtigsten Themen unserer Gesellschaft anzusprechen. Nach einer intensiven Brainstorming-Phase haben wir uns darauf geeinigt, die hohe Müllproduktion zu thematisieren und uns darauf zu fokussieren, welche innovativen und kreativen Möglichkeiten es gibt, vermeintlichen Müll nicht zu Müll werden zu lassen. So soll zudem der Blick auf Konsumgewohnheiten geschärft und vor allem nicht nur die negativen Auswirkungen von Müll thematisiert werden. In der Sammlung des Badischen Landesmuseum fanden wir viele inspirierende Objekte. So zeigt die Ausstellung sowohl Objekte aus der Vergangenheit als auch Objekte aus unserem heutigen Alltag. Die Ausstellung wirft dadurch zudem eine andere Perspektive auf die Sammlung des Badischen Landesmuseums. Gleichzeitig wurden Stimmen unterschiedlicher Karlsruher Initiativen einbezogen, die sich mit dem Thema der Müllvermeidung beschäftigen.
© Badisches Landesmuseum
Arbeitsteilung und Gruppenarbeit
Für das Ausstellungsprojekt haben wir uns in verschiedene Arbeitsgruppen aufgeteilt: von den Bereichen Katalog und Kulturvermittlung bis hin zu Vermittlung, Gestaltung, Objekten, Fundraising, Marketing- und Pressearbeit, so konnten wir den großen Berg an Arbeit am besten abarbeiten. Auch die verschiedenen inhaltlichen Themenbereiche der Ausstellung – Müll, Erhalten, Reparieren, Umarbeiten, Recyceln – haben wir in Kleingruppen bearbeitet. In diesen Gruppen hatten wir über Monate hinweg intensive Arbeitsphasen.
Inhaltliche Recherche und Objektauswahl
Wichtig war insbesondere die inhaltliche Recherche zum Thema Müllvermeidung. Wir stellten uns die Fragen: Welche Aspekte sollen behandelt werden, wie wollen wir sie in der Ausstellung gliedern und vor allem welche Objekte der Sammlung zeigen die Inhalte auf besonders eindrückliche Weise auf? Dabei war die Datenbank des Museums unser wichtigstes Instrument. Hierüber haben wir nach Schlagworten wie beispielsweise „Reparatur“ oder „Recycling“ gesucht. Zu unserer Überraschung kamen wir auf mehr Treffer als gedacht. Dadurch musste eine gut überlegte Auswahl der Objekte getroffen werden und wir sind froh, nun so viele tolle unterschiedliche Ausstellungsstücke zu zeigen, hinter denen besondere Geschichten stecken.
© Badisches Landesmuseum
Unterstützung durch Kolleg:innen und externe Kooperationen
Was uns besonders geholfen hat, waren die Kolleg:innen im Haus, die immer ein offenes Ohr und hilfreiche Tipps hatten. Aber auch der Austausch mit anderen Museen war sehr förderlich. Zufälligerweise gab es in Brüssel eine Ausstellung mit dem Titel „Throwaway“, die thematisch so gut zu unserem Projekt passte. Kurzerhand sind wir für einen Besuch der Ausstellung und einer begleitenden Tagung dorthin gefahren. Ausgestellt war dort unter anderem ein Müll-Counter, der so gut gefiel, dass wir ihn auch in unsrer Ausstellung zeigen wollten. So kam die Kooperation mit dem Haus der europäische Geschichte Brüssel zustande, die uns den Counter leihen und er nun auch bei uns den weltweit entstehenden Müllberg zählt. Auch der Austausch mit lokalen nachhaltigen Projekten in Karlsruhe und Umgebung, wie etwa dem Reparaturcafé, hat unsere Ausstellung vorangetrieben. Eindrücklich war für uns darüber hinaus der Besuch bei einem Recyclinghofs, der uns verdeutlichte, wie wichtig das Thema Müllvermeidung für die gesamte Gesellschaft ist.
Highlights und besondere Momente im Projektverlauf
Im Projektverlauf hatten wir viele Highlights vor allem zu sehen, wie der Ausstellungsraum immer mehr Gestalt angenommen hat und unsere Vorstellung umgesetzt wurde. Ganz besonders wird uns der Tag der Objekteinbringung in Erinnerung bleiben. Hier haben wir mit den Restaurator:innen die Objekte, über die wir monatelang gelesen, geschrieben und gesprochen haben, in die Vitrinen einsetzten dürfen. Darüber hinaus gab es viele weitere Momente, die wir Volontär:innen wohl nicht vergessen werden: als der fertige Ausstellungskatalog geliefert wurde, wir in ganz Karlsruhe unsere Poster aufgehängt sahen, die ersten Berichterstattungen in Zeitungen veröffentlicht wurden und natürlich der Abend der Eröffnung.
© Badisches Landesmuseum
Besondere Ausstellungsobjekte
Die Ausstellung wurde in verschiedene Themenbereiche eingeteilt, die unterschiedliche Aspekte der Müll(weiter)verarbeitung beleuchten. Besonders spannend im Bereich Recycling ist zum Beispiel eine Waschschüssel aus Flugzeugmaterial. Sie wird auf die Zeit nach 1945 datiert und besteht aus dem Aluminium einer Boeing B-17 – einem Kriegsflugzeug. Im Zweiten Weltkrieg flog dieser Typ über Deutschland und warf Bomben ab. Am 5. September 1944 hatte das Flugzeug eine Bombenlast über Stuttgart abgeworfen, bevor es getroffen wurde und nahe der französischen Grenze bei Kandern abstürzte. Die Besatzung konnte sich retten, doch die Maschine wurde beim Aufprall zerstört. Vor Ort recycelte das Eisenwerk Kandern das Wrack und verarbeitete es zu verschiedenen Alltagsgegenständen weiter. Ein weiteres Beispiel für recyceltes Kriegsmaterial ist ein Soldatenhelm, der zu einer Güllekelle umfunktioniert wurde.
Die Ausstellung widmet sich jedoch nicht nur dem Recycling und der Umnutzung von Objekten, sondern auch der Reparatur. Ein zentrales Thema ist hierbei Kintsugi – eine japanische Technik aus dem 15. und 16. Jahrhundert, die die Wertschätzung des Fehlerhaften in den Mittelpunkt stellt. Zerbrochene Keramikobjekte werden dabei mit urushi, einem traditionellen Japanlack, geklebt und die Bruchstellen anschließend mit Goldpuder hervorgehoben. Diese Methode folgt der Philosophie des wabi sabi, die Vergänglichkeit, Unvollkommenheit und die Schönheit des Reparierten betont. In der Ausstellung „Kann das weg?“ wird dazu zum Beispiel eine Winterteeschale (chawan) aus dem 18. Jahrhundert gezeigt. Sie besteht aus Shino-yaki-Keramik mit grüner Unterglasurmalerei und weist eine vergoldete Bruchstelle am oberen Rand auf. Durch diese besondere Reparatur wird nicht nur die ästhetische Qualität der Schale unterstrichen, sondern auch ihr emotionaler und persönlicher Wert hervorgehoben. Gleichzeitig bleibt sie weiterhin nutzbar – ein schönes Beispiel für die Philosophie des Kintsugi.
© KTG Karlsruhe Tourismus GmbH
Die Ausstellung heute und unser Engagement nach der Eröffnung
Mittlerweile läuft „Kann das weg?“ schon seit knapp zwei Monaten und auch nach der Eröffnung haben wir viele Termine bezüglich unseres Ausstellungsprojekts. Wir organisieren Führungen, Workshops oder Betreuen die Ausstellungsfläche. Besonders freuen wir uns über die rege Beteiligung in unserer Ausstellung an den interaktiven Stationen und, dass das Thema so gut von den Besucher:innen angenommen wird.
© Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS – Uli Deck