Museumshelden

Wenn es Museumshelden gibt, gibt es dann auch Museumsbösewichte?

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Dirk

Am 03. Juni wurde die neue Volontariatsausstellung „Museumhelden. Von Vitrinenstars und Depothütern“ im Badischen Landesmuseum eröffnet. Doch was steckt hinter diesem Titel? Eins können wir verraten: Die Helden sind ausnahmsweise nicht die Mitarbeitenden, sondern die Exponate selbst.

Beim Presse-Preview haben wir uns von den Volontär*innen, die an der Konzeption und Durchführung – sprich von Anfang bis Ende – beteiligt waren, ein paar Insider-Infos geholt. Denn: Aus allen Bereichen des Museums haben die jungen Wissenschaftler*innen und Mitarbeiter*innen angepackt und im Marmorsaal das Ergebnis ihrer Arbeit ausgestellt. Vorbeischauen lohnt sich!

Wer sind denn nun die „Helden“ der Ausstellung?

Direkt beim Betreten des Raumes ist die Konzeption und die Idee dahinter für jede*n ersichtlich. Die zwei prominentesten „Helden“ der Ausstellung, der Pilz-Myzel-Fahrradhelm und das weitaus ältere, aus dem 13. Jh. stammende Schwert aus dem Besitz des Markgrafen, führen durch die Ausstellung. Der ganze Raum ist großflächig mit Comicversionen der beiden „Helden“ gestaltet, die an jeder Station verständlich erklären „Was?“ und vor allem „Wieso?“ dort genau diese Objekte ausgestellt sind.

Der Fahrradhelm wurde eigens für die Ausstellung von dem Volontär*innen-Team geschaffen. Hierzu wurde in einer Art Gussform das Pilz-Myzel gezüchtet und, nachdem es die passende Größe und geeignete Form erreicht hatte, getrocknet und gebacken, um das Wachstum zu stoppen. Nicht nur experimentell und stylish, sondern auch nachhaltig! Der Pilzhelm besteht aus nachwachsenden Rohstoffen, die über Wochen in der Form gezüchtet wurden, und kommt auch fast gänzlich, bis auf die Gurte und Verschlüsse, ohne Plastik aus.

Als neuestes Mitglied in der Sammlung des Badischen Landesmuseums wird nun also dieser Grünschnabel von dem alten Hasen - dem Schwert - in die Arbeit des Museums eingeführt. Und er hat jede Menge Fragen: Was wird überhaupt in eine Museumssammlung aufgenommen? Wie genau funktioniert die Dokumentation von Altem und Neuen? Unter welchen Bedingungen müssen die Objekte gelagert werden? Auf 8 kurzweiligen Stationen gibt es Antworten. Und keine Angst, nicht nur die Gestaltung unserer beiden „Helden“ als Comic, auch die Texte sind verständlich für jeden Besucher gestaltet. Und das Beste – es gibt auch was zum Anfassen!

Die Museumshelden in Aktion. Illustration: Maria Karipidou, Grafik: Danica Schlosser

Das Heldenteam - © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul

Nur die Spitze des Eisbergs

Nachdem ein Objekt in die Sammlung eines Museums aufgenommen wurde, muss natürlich entschieden werden, was ausgestellt wird und was nicht. Wie wir erfahren, hat das Badische Landesmuseum nur ungefähr 5% seiner gesamten Objekte dauerhaft ausgestellt. Fünf Prozent! Vieles von dem, was gesammelt wird, wird in Depots sicher verwahrt und steht der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung oder wird für Sonderausstellungen oder Leihgaben aus ihrem Tiefschlaf geholt. Kleine Spoiler-Warnung: Bei den gesammelten Objekten sind so einige Überraschungen dabei. Nicht alles ist hunderte Jahre alt, zum Teil handelt es sich auch um Alltägliches mit historischer Reichweite, wie ein gewisses Haarfärbemittel, mit dem sich der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder mutmaßlich die Schläfen gefärbt haben soll – wie kann er nur?!

Sammlung 2002 - © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul

Kein Eintritt ohne gültige Papiere – sounds familiar?

Jedes Objekt wird genauestens dokumentiert und in digitalen Datenbanken (bis vor einigen Jahren auch noch handschriftlich in sog. Inventarbüchern) erfasst. Jeder potenzielle neue Held bekommt eine eigene Inventarnummer, damit jeder Mitarbeitende zu jeder Zeit weiß, wo sich doch so manche Depothüter verstecken.

Doch nicht jeder Vitrinenstar-Anwärter freut sich darauf, an die Öffentlichkeit gebracht zu werden! Jedes Material reagiert anders auf die verschiedensten Umwelteinflüsse und so vertragen manche Gegenstände kein direktes Sonnenlicht, mögen eine bestimmte Luftfeuchtigkeit oder auch eine gewisse Temperatur – alles ganz schön nachvollziehbar meiner Meinung nach. Bei Karlsruher Sommern weit über 30°C wünsche ich mich auch regelmäßig zurück in die kühlere Wohnung. Diva oder nicht, für die dauerhafte und unbeschadete Bewahrung der Sammlungsstücke muss das Museum so einiges auf sich nehmen.

Inventarkarten - © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul

Minai-Schale mit Inventarkarten - © Badisches Landesmuseum, Foto: Peter Gaul

To restore or not to restore? that is the question

Und jetzt kommen wir zur Restaurierung. Eher selten gelangen die Neuankömmlinge so unbeschadet ins Museum wie der Pilzhelm, der sich von Anfang an sichtlich sorgenfrei an sein neues zu Hause gewöhnt hat – vom Zwischenstopp im Backofen mal abgesehen. Der Zahn der Zeit nagt auch an den widerstandsfähigsten Materialien, weswegen sich ein großes Team, das sich auf bestimmte Materialien spezialisiert hat, daran macht, die Objekte vorzeigbar herauszuputzen. Einfacher gesagt als getan. Denn Restaurierung ist nicht gleich Restaurierung. Was ist, wenn man beim Bereinigen des Objektes zum Beispiel feine Gravuren beschädigt?

Genau dieser Fall wird anhand von zwei Jardinièren diskutiert. Ein schneller Blick auf den Ausstellungstext sorgt für Klarheit: Eine Jardinière ist ein Blumenbehälter und nicht, wie ich auf den ersten Blick vermutet habe, eine übergroße Saucière. Aber zurück zum eigentlichen Thema: Restaurierung. Eine der beiden Jardinièren ist merklich dunkler und glänzt weniger als die andere. Die glänzende wurde aufwendig durch elektrochemische Verfahren gereinigt, wodurch aber auch immer – insbesondere wohl bei Silber – ein Teil der Oberfläche mit abgetragen wird. Dieser Gewichtsverlust (leider kein positiver) ist nach der Reinigung sogar messbar. Mit der Gegenüberstellung der beiden Schalen wird somit verdeutlicht, dass auch die Restaurierung für die Öffentlichkeit nicht immer ausschließlich positiv ist und dass viele Objekte zum Schutz und der Konservierung ihres Zustandes dann doch lieber etwas verschmuddelt in ihrem dunklen Depot hausen wollen.

Restaurierung - zwei Jardinièren im Vergleich

Zwei Jardinièren im Vergleich - Comic. Illustration: Maria Karipidou, Grafik: Danica Schlosser

Otter = Anfassen

Schon fast etwas verloren, vermutlich, weil er sich nicht in einer Vitrine befindet, überrascht eine kleine Otter-Statue mit Sprechblase, in der erklärt wird, dass er berührt werden darf. Ein waschechtes Stunt-Double. Noch etwas zögerlich wird der kleine Otter erst mal angestupst und nach kürzester Zeit ist die Vorsicht verflogen. Denn diese Replik einer echten ägyptischen Statue, die für Besucher*innen mit eingeschränktem Sehvermögen geschaffen wurde, wird hier zum Symbol für alles, was man Berühren darf. Jede Mitmach-Station und jeder Bildschirm sind mit einer ebenso süßen Comicversion des Otters versehen, die eindeutig signalisiert „Otter = Anfassen“.

Otter = Anfassen

Stunt Double in Action

Kultur on Tour

Objekt ausgewählt, restauriert, präsentiert und dann … dann will sich ein anderes Museum euren liebgewordenen Helden mal ausleihen. Im Museum ist es noch etwas einfacher, die notwendigen Bedingungen für die Unversehrtheit der Sammlungsstücke zu schaffen. Beim Versand wir das Ganze dann doch etwas komplizierter. Der internationale Austausch von Kunstwerken, Artefakten und anderen Kulturgütern ist ein wichtiger Bestandteil musealer Arbeit. Nur so ist es möglich, die großen Sonderausstellungen umzusetzen, die einen umfassenden Einblick in ein bestimmtes Thema geben.

Eines dieser weitgereisten Stücke ist die Janitscharenhaube. Doch war das Original nie selbst auf Welttournee. Bei dieser Haube handelt es sich um eine von nur drei weltweit erhaltenen Exemplaren und somit ist die Gefahr, dass diese beim Transport beschädigt wird, zu groß. Die simple Lösung: Es muss ein Doppelgänger her, der stattdessen auf Reisen geht. Doch nicht nur Beschädigungen sind beim Versand zu berücksichtigen.

Der an der Decke aufgehängte Stuhl aus der Koloman-Moser-Speisezimmergarnitur wurde zum Beispiel an der Ausreise aus den USA gehindert, da in diesem ein Tropenholz verbaut ist, mit dem nicht gehandelt werden darf. Glücklicherweise wurde für den über 100 Jahre alten Stuhl eine Ausnahme gemacht und wir dürfen ihn wieder hier zurück im Badischen Landesmuseum begrüßen.

Zauberrolle und Versandkasten

Wie war das nochmal mit den 5%?

Nur ungefähr 5% von den rund 500.000 Objekten im Badischen Landesmuseum sind für die Besucher*innen zugänglich. Hier wird dank moderner Technik Abhilfe geschaffen. Denn wenn wir nicht zu den Museumsstücken kommen können, dann kommen sie eben zu uns nach Hause – auf den Computer. Die Digitalisierung von Kunstwerken und Kulturgütern ist eine große Aufgabe, die seit Jahren in den Museen umgesetzt wird. Bei 500.000 Objekten kann das aber auch noch etwas länger dauern…

Museumsbroschüre

Digitaler Katalog - © Badisches Landesmuseum, Foto: ARTIS - Uli Deck

Mit Helm und Schwert geht nichts mehr schief

Mit der Digitalisierung haben wir auch die letzte Station in der Volontariatsausstellung „Museumshelden“ erreicht. Die ein oder andere Station habe ich hier ausgelassen oder nur kurz erwähnt, ebenso wie die große Fülle an Ausstellungsstücken. Denn ihr sollt ja selbst noch etwas davon haben! Die Informationsdichte und die Auswahl an Objekten ist groß, ohne überfordernd zu wirken – denn mit unseren beiden Helden, dem Pilzhelm und dem Schwert, konnten wir uns ohne Probleme durch die vielseitigen Abläufe, die sich im Museum hinter den Kulissen ereignen, kämpfen. Es sind viele Mitarbeiter*innen daran beteiligt, dass ein Objekt überhaupt erst in die Sammlung eines Museums aufgenommen wird und nochmal mehr, damit es als Held die Öffentlichkeit zu Gesicht bekommt.

Wenn es Museumshelden gibt, gibt es dann auch Museumsbösewichte? Keine Bösewichte aber so allerhand Diven sind hier in der neuen Volontariatsausstellung „Museumshelden“ zu finden, die den Mitarbeiter*innen im Museum so manches Kopfzerbrechen bereiten.

Welche das genau sind, könnt Ihr seit dem 03. Juni im Badischen Landesmuseum erkunden.