Festivals und Nachhaltigkeit

Zum Interview

Julia - Juni 2024

Alle sprechen über Nachhaltigkeit. Aber was bedeutet das eigentlich konkret - und vor allem für die Karlsruher Kultureinrichtungen? In ihrer neuen Interview-Reihe "Nachhaltigkeit in der Kultur" sprechen Julia und Jana mit Expert:innen zu diesem Thema. Die Interviews werden immer am letzten Freitag des Monats im Campusradio beim Podcast Kultur-Kaffeekranz gesendet. Wer die Sendung verpasst hat, kann sie jederzeit hier nachhören oder auf unserem Blog nachlesen.

#7: Festivals und Nachhaltigkeit: Interview mit Sebastian "Woody" Wahl

Sebastian Wahl, genannt Woody, ist Projektleiter Infrastruktur und Nachhaltigkeit bei der KME Karlsruhe Marketing Event GmbH: Dabei organisiert er unter anderem DAS FEST mit und kümmert sich dabei darum, dass die Veranstaltung von Jahr zu Jahr grüner wird. Wir haben mit ihm über seine Arbeit und die spannenden Entwicklungen beim „Greener FEST“ gesprochen.

Wie kommt man zu einem Job als Projektleiter Nachhaltigkeit und Infrastruktur?

Ich würde es eher andersherum sagen: Der Job kam irgendwie zu mir! Ich bin eingestiegen als Projektleiter für Infrastrukturplanung, also für alles, damit auf einem Gelände überhaupt ein Festival stattfinden kann: Bühnen, Toiletten, Strominfrastruktur, Wasser und vieles mehr. Wir haben relativ früh angefangen, nachhaltige Themen umzusetzen. Ab 2014 hatte ich damit immer mehr Berührungspunkte, etwa bei der Beschaffung. So hat sich das entwickelt und änderte irgendwann auch meinen beruflichen Namen als Projektleiter auch für Nachhaltigkeit, die ich nicht nur beim FEST, sondern auch bei allen anderen Veranstaltungen der KME umzusetzen versuche.

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Mein Arbeitsalltag ist erst einmal gar nicht so auf Nachhaltigkeit fokussiert, da ich viel im Bereich Infrastruktur umsetze. Wenn nicht gerade Veranstaltungszeit ist, gehe ich ganz normal ins Büro und schreibe Tabellen, mache Termine mit Dienstleistern und Partnern, habe viele Jour Fixes oder Besprechungen. Während der Veranstaltungen, speziell beim FEST, verlegen wir das alles aber nach draußen und haben mobile Büro-Einheiten in Containern. Dann ist alles ein bisschen anders. Ich bezeichne mich dabei gern als Dirigent, der das Orchester der Partner, Dienstleister, Helfer*innen und Lieferant*innen orchestriert und schaut, dass wir erreichen, was wir uns im Vorfeld als Ziel gesetzt haben.

DAS FEST 2022, Foto: Jürgen Franke

Feldbühne bei DAS FEST 2022, Foto: Jürgen Rösner

Auf was achtet ihr bei einer Veranstaltung wie dem FEST besonders? Was sind große Einflussfaktoren auf die Nachhaltigkeit?

Wir achten darauf, dass wir viel wieder und wieder benutzen nach dem Motte: Reduce – Re-use – Recycle. Wir produzieren viele Dinge ohne Datum und ohne spezielles CI, sodass wir sie jedes Jahr und auch veranstaltungsübergreifend wiederverwenden können. Wir achten darauf, dass wir immer weniger Restmüll produzieren. Vor ein paar Jahren haben wir mit PLA-Getränkebechern aus biobasierten Kunststoffen angefangen. Das war an sich eine gute Sache, da sie CO2-neutral verwertet werden können. Die Gesetzeslage in Deutschland gibt eine Kompostierung allerdings aktuell nicht her. Die Rotte-Dauer von PLA, wie man es auch von Biomülltüten kennt, ist in deutschen Vergärungsanlagen viel zu kurz, sodass diese Kunststoffe überhaupt nicht aufgelöst werden. Für den Grundstoff wie Zuckerrohr oder Maisstärke werden mittlerweile auch Monokulturen angebaut, was auch nicht zielführend ist. Daher haben wir uns letztes Jahr entschlossen, wieder zum Mehrwegbecher zurückzugehen. Die CO₂-Bilanz des Spülens war einfach geringer als die des biobasierten Einweggeschirrs. Natürlich achten wir auch auf Strom- und Wasserverbrauch und versuchen zum Beispiel, möglichst wenig Strom zu verbrauchen, was Aggregate angeht. Ganz ohne geht es noch nicht. Unsere Container stehen meist sehr exponiert auf der Fläche. Da haben wir dieses Jahr 16 Solardächer angeschafft, die als Mini-Container aufgesetzt werden und 2,2kW Peak machen. Damit können wir im besten Fall etwa 35.000 Watt am Tag generieren und so unseren Gesamtstromverbrauch runterschrauben und mehr erneuerbare Energien einfließen lassen. Der FEST-Strom, den wir beziehen, ist aber auch sowieso schon ein grüner, aus Wasserkraft gewonnener Strom. Nur noch die Aggregate, die als Redundanz zur Sicherheit an den Bühne stehen, laufen mit Diesel. Auch hier gibt es Überlegungen: In Zukunft werden es vielleicht Wasserstoff-Aggregate sein, die aber in der Dimension momentan noch nicht verfügbar sind. Wir achten also auf ziemlich viel und verbessern uns jedes Jahr ein Stück.

DAS FEST wird jedes Jahr als A GREENER FESTIVAL zertifiziert. Wie sind die Anforderungen dafür?

Das ist keine ISO- oder EMAS-Zertifizierung, sondern speziell auf die Veranstaltungsbranche zugeschnitten und wurde auch vor 20 Jahren in England in der Branche entwickelt.  Für das Assessment muss man in eine sehr lange Datei alle Parameter eintragen, etwa den Verbrauch an fossilen Brennstoffen, Strom und Wasser, welche Essensangebote am Platz sind und ob es einen Fokus auf ein vegetarisch-veganes Angebot gibt, ob lange Lieferketten vermieden werden und auch soziale Komponenten. Am Ende gibt es ein Ranking und zwei Assessoren, die auch jedes Jahr auf das Festival kommen und die eingereichten Zertifikate überprüfen. Sie werden herumgeführt und gehen in die einzelnen Abteilungen, sprechen mit den Jungs vom Strom und den Mädels vom Wasser und so weiter. Dann wird nachbereitet und wir legen Sachen nach, die beim Festival noch nicht da sind, zum Beispiel Verbräuche. Dann bekommen wir nach dem Ranking das Zertifikat ausgestellt. Für DAS FEST wird das seit 2012 jährlich gemacht.

DJ-Bühne bei DAS FEST 2022, Foto: Jürgen Rösner

Gastronomie-Bereich bei DAS FEST 2022, Foto: Jürgen Rösner

Gibt es beim FEST eine besonders kreative Lösung im Bereich Nachhaltigkeit, die sich andere Festivals abschauen könnten?

Ich glaube, dass immer der Blick fürs Große und Ganze wichtig ist, dass man sich wirklich dahinterklemmt und jeden Bereich beleuchtet, wie er noch optimiert werden kann, wenn man kritische Bereiche wie Strom- und Wasserverbrauch hinterfragt und sich da Input holt und sich vernetzt (so wie wir etwa im Festivalverband Yourope). Ich möchte Dinge gern so stichfest wie möglich haben, bevor man zum Beispiel behauptet, bis 2025 CO₂-neutral zu sein oder Ähnliches. Erst würde ich den Weg dorthin ordentlich vorbereiten und vorsichtig sein. Wenn ich aber eine Sache benennen würde, dann wäre es das Catering-Konzept. Wir versorgen alle unsere Caterer zentral mit Palmblatt- und Holzbesteck und Tellern, das hinterher tatsächlich in der Kompostieranlage in Karlsruhe kompostiert wird. Denn obwohl Einweggeschirr ja per se mittlerweile in Deutschland verboten ist, dürfen Restbestände noch verwendet werden. Da würde ich anderen vorschlagen, dass auch so zu machen.

Auf was dürfen sich die Besucher*innen 2024 beim FEST am meisten freuen? Und auf was freust du dich am meisten?

Einmal natürlich ganz klar das Lineup, da haben wir wieder etwas Gutes hinbekommen und es ist für jede*n etwas dabei. Seit 2019 haben wir die Klima-Akademie, die klein gestartet ist und immer weiter ausgebaut wurde. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal eine kleine Bühne dort, das Klima-Podium, wo es auch Programm mit verschiedenen Akteuren aus dem städtischen Dunstkreis geben wird, etwa die KEK (Karlsruher Energie- und Klimaschutzagentur), Wandelwirken, Gemeinwohl-Ökonomie oder das OK Lab. Zum Abschluss am Sonntag gibt es eine Podiumsdiskussion mit den Akteur*innen. Das wird sicher cool. Nächstes Jahr sehen wir das auch als Programmpunkt auf der Kulturbühne, etwa donnerstags, wenn es sonst noch kein Programm gibt, als nachhaltigen Tag. Persönlich finde ich die Solardächer sehr cool, um die wir letztes Jahr sehr gekämpft haben. Ansonsten beginnt für mich jetzt die schönste, aber auch schlimmste Zeit des Jahres: Schön, weil alles umgesetzt wird, was wir im Team seit letztem September mit Absprachen, Ausschreibungen und Terminen planen, und weil die vier Tage DAS FEST in der Günther-Klotz-Anlage einfach großartig sind.

Vielen Dank...

für das spannende Gespräch! Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg und Spaß dabei, DAS FEST und andere Events grüner zu machen.