Die Welt der Nibelungen

Auf Schatzsuche mit der Badischen Landesbibliothek

Zum Interview

Jennifer · Mai 2021

Die berühmte Handschrift C des Nibelungenliedes befindet sich seit 2001 als Eigentum der Landesbank Baden-Württemberg und der Bundesrepublik Deutschland in der Badischen Landesbibliothek. Sie ist das älteste Textzeugnis des um 1200 entstandenen Epos und von der UNESCO als Weltdokumentenerbe ausgezeichnet. Nun hat die Badische Landesbibliothek ein neues Angebot dazu realisiert: die virtuelle Ausstellung "Die Welt der Nibelungen. Auf Schatzsuche mit der Badischen Landesbibliothek".
Wir haben Dr. Annika Stello und Karen Evers zur Ausstellung ausgefragt.

Auf Schatzsuche mit der Badischen Landesbibliothek

Als Ausstellungskoordinatorinnen haben Annika Stello und Karen Evers gemeinsam mit Kuratorin Loreen Sommer die virtuelle Entdeckungsreise des Nibelungenlieds umgesetzt.

Dr. Annika Stello und Karen Evers

Seit dem 7. Mai 2021 ist einer der größten Schätze in der BLB, die Nibelungenhandschrift C, nun auch virtuell erlebbar. Wie lange ist die Vorbereitungszeit für solch eine rein digitale Ausstellung im Vergleich zu einer analogen vor Ort?

Der Aufwand für eine virtuelle Ausstellung ist eigentlich genau so groß wie für eine physische Ausstellung vor Ort: Nach gründlicher Recherche ist zunächst eine Auswahl von Exponaten zu treffen, dann sind Texte zu verfassen und es ist eine umfangreiche Bildredaktion erforderlich. Hinzu kommt dann noch die komplexe technische Eingabe, die zeitlich in etwa der Einrichtung einer Ausstellung vor Ort gleichkommt oder sogar noch länger dauert.

Nibelungenhandschrift C, um 1230 © BLB, Cod. Donaueschingen 63, Foto: Uli Deck

Die Nibelungensaga ist wohl die bekannteste mittelalterliche deutschsprachige Erzählung und hat es bis in den Schulplan geschafft. Wie sind Sie an den Stoff herangegangen, um ihn einem breiten Publikum zu vermitteln?

Die Konzeption der Ausstellung war von Beginn an für ein breites Zielpublikum gedacht. Nach dem Festlegen der inhaltlichen Eckpunkte der Ausstellung haben wir uns dann überlegt, wie man das Ganze möglichst anschaulich vermittelt – gerade auch vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Welt der Nibelungen heute um eine sehr fremde Lebenswelt handelt. Frau Sommer, Bibliotheksreferendarin an der Badischen Landesbibliothek, hat dann verschiedenen Medientypen wie Bilder und Audiodateien bei der Konzeption der Ausstellung berücksichtigt, um das Ganze abwechslungsreich zu gestalten.

Außerdem ist zur Ausstellung in Kooperation mit dem Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung Baden-Württemberg (ZSL) noch eine didaktische Handreichung für die Sekundarstufe entstanden, die das Thema für den Einsatz in der Schule aufbereitet.

Neben Filmen wurden auch Originalzitate und Audiobeispiele eingebaut.

Ganz nebenbei erfährt man auch Wissenswertes über gängige Sprichwörter.

Was ist so besonders an der Handschrift C in der BLB? Wie kam der Codex überhaupt nach Karlsruhe?

Das Besondere an der Handschrift C ist die Tatsache, dass es sich um die älteste der heute noch überlieferten einigermaßen vollständigen Abschriften des Nibelungenliedes handelt. Die Handschrift ist im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts entstanden und hat eine sehr bewegte Geschichte hinter sich. Wer diese Geschichte im Einzelnen nachvollziehen will, dem empfehlen wir die virtuelle Ausstellung, die ausführlich auf die Entdeckung der vergessenen Handschrift im 18. Jahrhundert eingeht.

Vor ihrem Ankauf für das Land Baden-Württemberg im Jahr 2001 befand sich die Handschrift über 100 Jahre lang in der Fürstlich Fürstenbergischen Bibliothek Donaueschingen. In Karlsruhe ist sie heute das einzige von der UNESCO als Welterbe ausgezeichnete Kulturdenkmal.

Nibelungenhandschrift C, um 1230, mit UNESCO-Urkunde von 2009 © BLB, Cod. Donaueschingen 63, Foto: Uli Deck

Carl Otto Czeschka: Königinnenstreit, Illustration zu Franz Keim: Die Nibelungen, 1909 © BLB, 100 B 80015 R

Inwiefern ist die digitale Ausstellung eine "Schatzsuche"?

Zunächst einmal macht die Ausstellung einen für die Öffentlichkeit meist unzugänglichen Schatz, die Nibelungenliedhandschrift C, dauerhaft sichtbar. Wir begegnen damit dem besonderen Interesse, das der Nibelungenliedhandschrift C weltweit entgegengebracht wird.

Daneben kann man in der virtuellen Ausstellung auch vieles entdecken, das man auch als versierter Nibelungenkenner nicht zwingend weiß oder damit in Verbindung bringt. So verbergen sich zum Beispiel auch hinter Objekten der Populärkultur, die wie die Palmin-Sammelbilder auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, mitunter berühmte und ungeahnt alte Verbindungen zum Nibelungenlied oder ähnlichen Stoffen.

„Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.“ Was hat das Nibelungenlied denn mit der heutigen Popkultur zu tun?

Thematische Parallelen zum Nibelungenlied finden sich in zahlreichen bekannten Werken der Popkultur: Darunter etwa in dem Roman der "Herr der Ringe" von J.R.R. Tolkien oder in der Saga "Das Lied von Eis und Feuer" von George R.R. Martin. Wo Bücher und Filme mit Fantasy-Elementen in mittelalterlichen Settings spielen, finden sich häufig auch Verbindungen zum Nibelungenlied. Das gilt für "Harry Potter" genauso wie für "Game of Thrones". Letzteres nimmt nicht nur typische Mittelaltermotive wie Drachen und höfische Intrigen auf, es gibt auch Parallelen bei einzelnen Charakteren und Figurenkonstellationen.

Was haben die Nibelungen und der Herr der Ringe gemeinsam? Die Ausstellung geht auf Spurensuche in der modernen Literatur und Popkultur.

Max Brückner: Götterdämmerung, Bayreuther Bühnenbilder zum Ring des Nibelungen, 1902 © BLB, 100 B 80014 R

Und was ist Ihre persönliche Lieblingsstelle in der Erzählung?

Obwohl in der allgemeinen Wahrnehmung des Erzählstoffes meist der Drachentöter Siegfried und die anderen Heldengestalten mit der Nibelungengeschichte verbunden werden, ist das Nibelungenlied interessanterweise eigentlich die Entwicklungsgeschichte Kriemhilds: Es beginnt mit ihrer Jugend und endet mit ihrem Tod. Die weibliche Hauptfigur wandelt sich dabei von der unerfahrenen Jungfrau zur machtbewussten Herrscherin und wird wegen ihrer grausamen Rache an den Mördern ihres Mannes schließlich selbst hingerichtet.

Ivo Puhonny: Siegfrieds Kampf mit dem Drachen, Palmin-Sammelbilder, Serie Nibelungen-Lied, ca. 1915 © BLB, 116 E 199 RH

Max Brückner: Das Rheingold, Bayreuther Bühnenbilder zum Ring des Nibelungen, 1902 © BLB, 100 B 80014 R

Wer denkt, die Nibelungen-Ausstellung sei die einzige virtuelle Entdeckungstour der BLB, liegt falsch!

Auch die Ausstellungen Fakten oder Fantasie? Karten erzählen Geschichten!Leuchtender KLANG – Klingendes LICHT. Der Komponist und Medienkünstler Joachim Krebs (1952–2013), Schlaglichter – 100 Bücher des Jahres 1918 und Das Kochbuch in Baden 1770–1950 sind im Netz jederzeit aufrufbar. Stöbert also nach Lust und Laune in den modernen und historischen Schätzen der Badischen Landesbibliothek!

Wer lieber selbst auf Recherche gehen will, findet zahlreiche kostbare Schätze - von Drucken über Graphiken bis hin zu Manuskripten und Atlanten - in den Digitalen Sammlungen.