ole scheeren : spaces of life

Weltklasse-Architektur im ZKM

Architektur meets ZKM

Dirk

Seit dem 10.12. ist im ZKM die neue große Sonderausstellung »ole scheeren : spaces of life« zu sehen. Es ist die erste monografische Ausstellung des weltberühmten deutschen Architekten Ole Scheeren, der vor allem im südostasiatischen Raum tätig ist. Jetzt fragt Ihr euch aber vielleicht: „Eine Architektur-Ausstellung im ZKM, wie funktioniert das denn?“ Wir haben uns das Ganze für Euch mal angeschaut.

Ein Name, eine Mission

Wenn man ZKM hört, dann denkt man vor allem an Kunst, genauer gesagt Medienkunst. Aber auch elektronische Kunst, zukunftsweisende künstlerische Arbeiten oder auch die Videospiele-Ausstellung „zkm_gameplay. the next level“ – wie passt eine Architektur-Ausstellung in dieses Umfeld? 'Spaces of life', also Lebensräume sind das Thema der Ausstellung. Ole Scheeren gestaltet Lebensräume, seien es Wohnanlagen, Arbeitsplätze oder Hotels. Er versteht sich als Geschichtenerzähler, der nicht nur den nüchternen Nutzen seiner Gebäude im Blick hat, sondern auch die Menschen, die Teil seiner Architektur sind und diese beleben.

Ole Scheeren © ZKM | Zentrum für Kunst und Medien, Photo: Felix Grünschloß

Die Ausstellung wird mit einem großflächigen Raumplan eingeleitet, der einem den genauen Aufbau aufzeigt. Besucher*innen, die bereits die Biomedien-Ausstellung besucht haben, erkennen womöglich, dass die Raumgestaltung aus der vorherigen Ausstellung übernommen wurde. Nachhaltigkeit ist hier das Stichwort, nicht nur in der Sonderausstellung, sondern auch im gesamten Schaffen von Ole Scheeren.

Ausstellungsansicht ole scheeren : spaces of life im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, 2022. © Foto: Felix Grünschloß

Ausstellungsansicht ole scheeren : spaces of life im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, 2022. © Foto: Felix Grünschloß

Ein Wolkenkratzer kommt selten allein

Trotz der interessanten szenografischen Gestaltung an der Infowand, gleitet der Blick doch langsam in Richtung des großen Lichthofes. Direkt zu Beginn erwarten die Besucher*innen drei, bis zu 8m hohe Modelle. Ein imposantes Ausmaß, das so nur in den hohen Räumlichkeiten des ZKMs zu realisieren war. Den Anfang macht das CCTV Headquarter in Peking, eines der ersten Großprojekte Scheerens, das ihm zu Weltruhm verhalf. Die verschlungene Form erinnert etwas an ein Möbiusband – angesichts der Statik bestimmt ein absoluter Albtraum in der Planung.
Die konzeptionelle Grundlage waren wohl zwei einzelne Hochhäuser. Man muss etwas genauer hinschauen, um diese Verbindung zu erkennen, doch genau hierfür gibt es die Möglichkeit in das Innere des Gebäudes durch Augmented Reality einzutauchen. Das Einzige, was man hierfür braucht ist ein Smart Device und die Snapchat App.

Rem Koolhaas and Ole Scheeren »CCTV« © OMA, Photo: Iwan Baan

Beim Modell des Mahanakhon Hochhauses in Bangkok erlaubt es einem die AR-Experience das städtische Treiben in, auf und um das Gebäude herum zu erleben und im Fall des Empire City Komplexes in Ho Chi Minh Stadt kann man einen genaueren Blick auf die Terrassen in den oberen Stockwerken werfen, die man bei dem ca. 8m hohen Modell sonst nur von Weitem bestaunen könnte. In mehreren hundert Metern Höhe sind bei diesem Gebäude mehrere terrassenartige Elemente integriert, die durch die Gestaltung und Begrünung die Natur zum Teil des Lebensraumes in dem 333m hohen Tower werden lassen.

Von der südlichen Waldstraße bis nach Peking

Die verschiedenen Pockets, so werden die kleinen Räume rund um den Lichthof genannt, beschreiben durch große Illustrationen, Texte und Videoclips die Ideen hinter Ole Scheerens Architektur. Eines der wohl interessantesten Elemente der Ausstellung ist die über 40m lange Timeline mit unzähligen Modellen. Chronologisch angeordnet beginnt man hier bei den bescheidenen Anfängen des Architekten in Karlsruhe. Das erste Projekt Ole Scheerens war ein Ladengeschäft in der südlichen Waldstraße, das er bereits in seinem ersten Semester am KIT realisierte. Anstatt Erstsemesterpartys zu besuchen wurde hier scheinbar schon fleißig an der Weltkarriere gearbeitet.

Ole Scheeren »DUO« © Buro-OS, Photo: Iwan Baan

Von diesem Moment an ging es mit seiner Karriere steil bergauf. Der in Karlsruhe geborene Architekt begann 1995 im Office for Metropolitan Architecture in Rotterdam des weltberühmten Architekten Rem Kohlhaas zu arbeiten.
   
Kleiner Fun Fact am Rand. Rem Kohlhaas sollte ursprünglich das ZKM bauen. Geplant war ein riesiger Kubus auf der Südseite des Karlsruher Hauptbahnhofes. Das Projekt wurde aber nicht umgesetzt und das ZKM ist schlussendlich in die ehemalige Munitionsfabrik gezogen. Als Reminiszenz an die ursprüngliche Idee ist der Kubus vor dem jetzigen Standort des ZKM entstanden.
   
Der Zeitstrahl zeigt nicht nur physische Modell seiner Architekturen. An den dahinter liegenden Wänden werden im permanenten Wechsel verschiedene Daten angezeigt, wie die Anzahl an Personen, die die Gebäude beherbergen, Höhe oder Grundfläche.

Ausstellungsansicht ole scheeren : spaces of life im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, 2022. © Foto: Felix Grünschloß

Form follows fiction! Heißt der Spruch nicht anders?

Folgt man dem Zeitstrahl bis ans Ende, so gelangt man an eine große Wand, auf der schwarz auf weiß zu lesen ist „form follows fiction“. Vielen dürfte dieser Ausdruck als „form follows function“ bekannt sein, doch Scheeren löst sich von der reinen Zweckmäßigkeit der Architektur und formuliert dieses Traktat für sich um. Denn er erschafft Lebensräume und das wichtigste Element ist der Mensch - in seinen Gebäuden wird gelebt und gearbeitet.

Unweit hiervon findet man ein Modell eines seiner bekanntesten Gebäude, das dieses Traktat auf unvergleichbare Art und Weise repräsentiert. Das „Interlace“ in Singapur ist nicht nur ein mehrfach preisgekrönter Wohnkomplex, sondern vor allem auch die Verkörperung all dessen, was ein moderner Lebensraum nach „form follows fiction“ ist.

OMA Ole Scheeren »The Interlace« © OMA Ole Scheeren, Photo Iwan Baan

Ursprünglich sollten zwölf Wohn-Tower entstehen. Scheeren hat sich dieser Vorgabe widersetzt und die Türme nicht vertikal in die Höhe wachsen lassen, sondern horizontal aufeinandergestapelt. In dem hexagonalen Raster, das durch diese Stapelung geschaffen wurde, sind Innenhöfe entstanden mit Grün- und Wasserflächen. Auch wenn das riesige Modell zum Klettern einlädt, muss man sich diesem Drang widersetzen und wird vielmehr dazu eingeladen die verschiedenen QR-Codes zu scannen. Drohnenaufnahmen oder Berichte der Bewohner*innen des Wohnkomplexes verbergen sich hinter den Codes. In den dazugehörigen Pockets erfährt man Genaueres über die Beweggründe der Jenga-artigen Stapelung dieses Gebäudekomplexes.

OMA Ole Scheeren »The Interlace« © OMA Ole Scheeren, Photo: Iwan Baan

AR Experience in der Ausstellung ole scheeren : spaces of life im ZKM | Karlsruhe. © ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe. Foto: Felix Grünschloß

Der Media Dump – klingt ekliger als es ist

Genau in der Mitte der Ausstellungsfläche befindet sich der sogenannte Media Dump. Auf den kreisförmig angeordneten Bildschirmen laufen verschiedenste Clips und Fotos in Dauerschleife - zum Beispiel Instagram-Postings, Werbeeinspielungen oder Immobilien-Trailer. Ole Scheeren baut Lebensräume für Menschen und wie diese Lebensräume genutzt und belebt werden, wird hier sehr anschaulich multimedial präsentiert. Für mich der ideale Abschluss eines Besuches in der Ausstellung. Setzt Euch auf einen der Hocker im Media Dump und erfahrt gelebte Architektur, ein Kurztrip nach Südostasien ist da dann doch etwas teurer.

Taucht ein, in die »spaces of life«

Physikalisch unmöglich erscheinende Überhänge, Terrassen in schwindelerregenden Höhen und gestapelte, umgekippte Hochhäuser. Wer sich die Zeit nimmt und in die „spaces of life“ von Ole Scheeren eintaucht erkennt, dass hinter diesen spektakulären Bauten ein ausgeklügeltes System steckt. Fern von monotonem in-die-Höhe-bauen erschafft der „Herr der Türme“ nachhaltige Lebensräume, die zugleich aber auch spektakuläre Wahrzeichen sind.

Das „Warum?“ und vor allem „wie?“ wird in der Ausstellung, auch für nicht Architektur Insider, anschaulich erklärt und beschrieben. Vor allem ist die Ausstellung im ZKM die einzige Möglichkeit in Deutschland mit der Architektur Scheerens in Berührung zu kommen. Noch, denn aktuell entsteht sein erstes Hochhaus in Frankfurt a.M. - bis dahin müssen wir uns aber noch etwas gedulden.

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