
Folge #35: The Story That Never Ends
KulturTalk
KulturTalk mit Clara Runge und Janine Burger
Im Kultur-Kaffeekranz Podcast informieren Julia und Jana über aktuelle Highlights der Kultur und interviewen spannende Akteur:innen der Karlsruher Kultur. Im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe hat eine neue Ausstellung eröffnet! Was es in "The Story That Never Ends" Spannendes zu entdecken gibt, berichten Euch Clara Runge und Janine Burger aus dem Ausstellungsteam.
Hi Clara und Janine! Stellt Euch doch erst einmal kurz vor: Was sind Eure Aufgaben am ZKM? Wie wart Ihr an der Entstehung der Ausstellung beteiligt?
Clara: Ich bin jetzt seit einigen Jahren Kuratorin am ZKM und war an ganz verschiedenen Ausstellungsprojekten beteiligt, in den letzten Jahren mit einem Fokus auf internationalen Kooperationen. Seit den letzten anderthalb Jahren bin ich auch für die neue Sammlungsausstellung „The Story That Never Ends“ zuständig und habe mit den Kolleg:innen versucht, die Werke auszuwählen und eine Geschichte zu entwickeln, die wir erzählen wollen. Das Besondere an der Ausstellung ist, dass der Prozess in engem Austausch mit dem Restaurator:innen und dem technischen Team stattgefunden hat. Die Auswahl der Werke war also ein besonders spannender Diskurs und Austausch.
Janine: Ich leite die Museumskommunikation am ZKM, das ist die Kunstvermittlung und somit alles, was mit Führungen Workshops oder Veranstaltungen zu tun hat, mit dem wir etwas vermitteln, das wir im Haus produzieren oder ausstellen. Ich war natürlich auch an der Entwicklung dieser Ausstellung beteiligt und für mich war das ein ganz besonderer Moment. Zum Einen schätze ich die Zusammenarbeit mit Clara sehr, weil wir ein gutes Team aus Kurator:innen und Kunstvermittler:innen auch in dem riesigen Team um uns herum sind. Schön war für mich aber auch, auf alte Bekannte zu treffen und dort Dinge neu zu entwickeln und zu denken. Wir wollten schauen, wie wir die Sammlung wieder neu präsentieren können und welche Ideen es gibt. Dafür haben wir auch einen speziellen Vermittlungsraum entwickelt, den living room, in der Ausstellung gleich rechts, über den wir später sicher noch sprechen.
Was genau kann man in der Ausstellung überhaupt sehen?
Clara: Der Titel kündigt das schon ganz gut an: Es gibt zwei Erzählebenen in der Ausstellung. Zum Einen gibt es einen Überblick über die ZKM-Sammlung, die mit über 12.000 Werken zu den größten und bedeutendsten Medienkunstsammlungen der Welt zählt. Man kann erfahren, wie sich Medienkunst entwickelt hat, mit Fotografie, Video, Film, mit kinetischen Arbeiten, Licht- und Soundinstallationen bis hin zur Ankunft des Computers und zur Blockchain-Technologie oder Künstlicher Intelligenz: ein Spaziergang durch die Medienkunst-Geschichte! Der Titel soll symbolisieren, dass die Künstler:innen immer wieder mit unendlicher Geduld mit den neuen Medien ihrer Zeit experimentieren und so die Ausdrucksmöglichkeiten der Kunst immer erweitern und vervielfältigen. Die andere Erzählebene ist die, dass Medienkunst eine besondere Form ist, die sehr viel Aufmerksamkeit bedarf, was die restauratorischen Maßnahmen angeht. Das sind technologische Medien, die eine sehr kurze Lebensspanne haben und schnell überholt sind, weil der technologische Wandel so rasant ist. Diese Werke brauchen ganz besondere Pflege, und a sagen unsere Restaurator:innen selbst: It’s a never ending story! Die Arbeiten müssen am Leben erhalten werden, was ein kontinuierlicher Prozess und Auseinandersetzung ist. In diese Strategien und Herausforderungen wollen wir mit der Ausstellung einen Einblick geben.
Janine: Wenn wir diese Werke dann zum Laufen gebracht haben, erzählen sie ihre eigenen Geschichten. Das tut jedes Kunstwerk, aber gerade bei Medienkunst in diesem Zeitalter rasant schneller Entwicklungen und Technologien, da bleiben die Stories manchmal zurück hinter der Tatsache, wie man restaurieren kann. In der Vermittlung fragen wir da: Welche Stories sind erzählt worden – und welche noch gar nicht? Welche haben wir bisher noch gar nicht gesehen? Welche Geschichten können wir mit den Werken, die wir in der Sammlung haben, mit einem neuen Blick erzählen?
Habt Ihr persönliche Highlights in der Ausstellung?
Janine: Mein Highlight ist das Werk „Les larmes d‘acier“ von Marie-Jo Lafontaine. Die Arbeit wurde auf der documenta 8 ausgestellt und war die erste Medienkunst-Arbeit, die ich noch als Schülerin in meinem Leben gesehen habe. Das war 1987. Noch vor der Gründung des ZKMs im Jahr 1989. Als ich dann am ZKM angefangen habe und 1997 die Arbeit dort ausgestellt gesehen habe, war das für mich toll. Dann war sie lange im Depot und jetzt ist sie wieder da. Das ist einfach toll, wenn man ein Werk wiedertrifft und sich fragen kann: Wie schaue ich jetzt auf die Arbeit? Ist sie noch zeitgemäß? Was bedeutet sie heute für mich, was hat sie damals bedeutet?
Clara: Was für mich ein spannendes Erlebnis war, war das Herausholen von Werken aus den Depots, die teilweise noch nie oder sehr lange nicht mehr ausgestellt waren, wo es ein Wiedertreffen oder Neu-Entdecken ist. Ein Beispiel sind die Video-Skulpturen von pezoldo, also Friederike Petzold, einer österreichischen Video-Künstlerin. Die waren auf der Multimediale 3 ausgestellt, die noch gar nicht in den Hallen des ZKMs, sondern auf dem Opel-Gelände durchgeführt wurde, sind dann in die Sammlung eingegangen und werden jetzt erstmals im ZKM selbst präsentiert. Der Ganze Prozess vom Ins-Haus-Holen der Kisten, dem Auspacken, dem Schauen, wie die Arbeiten funktionieren und zusammengesetzt sind, um sie dann am Ende in den Ausstellungshallen zu sehen, war wahnsinnig spannend und sehr emotional, weil es eine kleine Geschichte war. Direkt im Eingangsbereich steht auch ein Fundstück, das wir dank des aktuell von Dorcas Müller geführten Labors für antiquierte Videosysteme bergen konnten. In diesem Labor geht es um die Instandhaltung und Digitalisierung von analogen Videobändern. In diesem Zuge wurde auch das Archiv von Aldo Tambellini, eines wichtigen Künstlers, digitalisiert. Dabei hat Dorcas eine Performance von John Lennon und Yoko Ono entdeckt, das sogenannte „Silent Piece“. Es war kunsthistorisch durchaus bekannt, dass diese Performance während des Ken Dewey Memorial stattgefunden hat, allerdings gab es weder historische Fotografien noch Filmaufnahmen. Deshalb war es so toll, diese Performance wieder zu Gesicht zu bekommen. Aldo Tambellini war damals mit seiner Videokamera unterwegs und hat die verschiedenen Darbietungen der Künstler:innen festgehalten, das ist jetzt ein kleines Highlight in der Ausstellung.s eingereicht wurde, auch wenn natürlich nicht alles in die Ausstellung aufgenommen werden konnte.
Gibt es ein Objekt, das für die Ausstellung besonders aufwendig restauriert wurde? Welche Probleme stellen sich in dem Bereich?
Clara: Hier könnte man eine ziemlich lange Liste aufzählen. Es gibt einige Installationen, die restauratorisch sehr herausfordernd sind. Der Ansatz der Ausstellung im Dialog mit den Restaurator:innen sollte ja auch gerade diese Werke ans Licht bringen, weil das ein sehr langer Vorbereitungsprozess ist, der auch finanzieller Mittel bedarf. Eine Sammlungsausstellung ist eine wunderbare Gelegenheit, sich diese Zeit zu nehmen und sich diesen Objekten zu widmen. Ein Beispiel ist die Installation „Touch me“ von Alba D’Urbano, die 1995 realisiert wurde. Das ist eine interaktive Arbeit. Wenn man sich den Ausstellungsrau vorstellt, steht man als besuchende Person vor einem Kasten, in den ein kleiner Monitor eingelassen ist. Man sieht das Gesicht der Künstlerin, die einem Kusshände zuwirft und einlädt, ihr Gesicht zu berühren. Das ist also gewissermaßen eine Grenzüberschreitung, weil wir ja normalerweise nicht einfach jemanden im Gesicht berühren, aber wir sind aktiv dazu aufgefordert. Je nachdem, wie wir das Gesicht an Auge, Mund oder Nase berühren, verfremdet es sich, löst sich auf und das eigene Gesicht der betrachtenden Person wird eingeblendet. Es entsteht eine Art Morphing und Überlagerung der Portraits. Für uns heute ist das im Zeitalter von Deep Fakes etwas, das technologisch sehr gut umsetzbar und nicht mehr so spannend ist, 1995 war das aber total begeisternd und besonders. Das Objekt hat ein 4:3 Touchpanel integriert, das es 1995 noch nicht gab, die Künstlerin hat also einen custom made-Monitor selbst zusammengebaut. Dieser Monitor hat seinen Geist aufgegeben und musste von den Restaurator:innen ersetzt werden. Es ist aber gar nicht so leicht, passende Monitore zu finden, weil wir heute hauptsächlich das 16:9-Bildformat haben. Das nächste Problem war dann, dass der Monitor nicht mehr mit dem Computer kompatibel war, weil die Arbeit mit Windows 95 lief, was den neuen Monitor nur als Maus erkannte. Das war also das nächste Problem in der Problemkette. Sie hatten versucht, die Software zu updaten, die entsprechende Lizenz, mit der die Software lief, ist allerdings 2017 abgelaufen und konnte nicht mehr verlängert werden. Am Ende musste die Arbeit komplett neu geschrieben werden. Da der Quellcode vorlag, gelang das unseren IT-Spezialist:innen auch. Jetzt ist die Arbeit genauso funktionsfähig und sieht genauso aus, wie sie immer aussah, besteht aber komplett aus neuen Komponenten.
Zur Ausstellung gibt es auch viele Begleitveranstaltungen. Auf welche freut Ihr Euch am meisten?
Janine: Da gibt es Einiges! Ich würde retrospektiv anfangen: Ich hatte mich extrem auf die Eröffnung gefreut und darauf mit unseren Besucher:innen im living room zusammenzusitzen, den wir mit unserer Kollegin Alex Hermann entwickelt haben. Das sollte ein Raum sein, in dem man sich wohlfühlt und der Wohnzimmer-Charakter hat, wo man sich Geschichten von früher erzählt oder was man in der nächsten Zeit macht. Es sollte aber auch ein Ort sein, an dem man zusammenarbeiten kann. Dabei hatten wir eine ganz tolle Ko-Kreation mit feco-feederle und Sedus, die uns diesen Raum komplett nach unseren Wünschen eingerichtet haben. Während des Eröffnungswochenendes hatten wir tolle Talks mit Künstler:innen, die wirklich aus dem Nähkästchen erzählt haben. Wir versuchen jetzt, immer wieder solche kleinen Veranstaltungen reinzubringen. Was auch spannend ist, sind unsere Speed-Meetings und Art-Speed-Datings. Dabei geht es einmal im Monat (Termine im Kalender) um zehn Kunstwerke und zehn Personen, die sich mit zehn Fragestellungen in unseren Ausstellungen beschäftigen. Dazu kommt natürlich noch die KAMUNA und viele weitere Veranstaltungen.
Clara: In dem Zuge muss man auch noch erwähnen, dass die Ausstellung ein Kooperationsprojekt mit der Wüstenrot-Stiftung ist, die sich sehr der Restaurierung und Bewahrung von Kunst und kulturellem Erbe verschrieben hat. In diesem Zuge entstehen auch noch Veranstaltungen, die Einblicke in die Restaurierung von Medienkunstwerken und die Herausforderungen geben. Auch hier erscheinen die Termine dann auf der Homepage.
Janine: Ende des Jahres haben wir dann ein ganz besonderes Programm in der Ausstellung, das quasi noch aus der Idee von Heinrich Klotz stammt: Einmal im Jahr gibt es einen ökumenischen Gottesdienst direkt in einer unserer Ausstellungen. Am 16. November um 18:30 Uhr kann man dieser einmaligen Veranstaltung in Lichthof 2 beiwohnen.
Wie geht es denn nun weiter mit der Geschichte, die nie endet?
Clara: Die Ausstellung wird uns noch eine Weile beschäftigen, zum Einen wegen der langen Laufzeit bis ins nächste Jahr. Wir werden sie mit Veranstaltungen und Aktivitäten füllen und hoffen, diese Geschichte zusammen mit den Besuchenden immer weiterzuschreiben. Gleichzeitig werden uns die Werke auf Trab halten, weil die Medienkunstwerke natürlich schwer beansprucht sind und immer wieder überarbeitet und repariert werden müssen. Auch das ist eine Geschichte, die niemals endet. Wir werden auch Werke austauschen, zum Einen weil sie konservatorisch beansprucht sind und deshalb nicht so lange laufen oder präsentiert werden können, zum Anderen aber auch, weil die Sammlung des ZKM noch so viele weitere wunderbare Schätze birgt, die wir auch präsentieren wollen. Ab nächstes Jahr im September gibt es eventuell auch eine zweit Phase der Ausstellung.
Janine: Das ist total wichtig, denn wir zeigen nur einen minimalen Prozentsatz unserer Sammlung. Wenn Ihr Lust habt und in der Ausstellung seid, seht ihr im living room lauter Bilderrahmen, in denen wir hard und fun facts über die Sammlung zusammenbringen. Einmal im Monat kann man auch eine Frage an uns richten, die wir zu beantworten versuchen. Dabei erfährt man viel Lustiges, z.B. welches das schwerste Werk ist, das älteste, das kleinste oder das teuerste.
Vielen Dank...
dass Ihr über die Ausstellung und Eure Arbeit hinter den Kulissen berichtet habt! Wir wünschen Euch noch viel Spaß bei den tollen Veranstaltungen und beim Entdecken neuer Geschichten.