Piazzola und Ramírez - Tango des Lebens, Schwermut des Todes und der Duft der Morgenröte
Beim ersten Konzert von Cantus Solis Karlsruhe nach langer Coronapause unter Leitung ihres neuen Chordirigenten Elías Hostalrich Llopis stehen stark kontrastierende Werke von zwei der wichtigsten Komponisten Argentiniens des letzten Jahrhunderts im Mittelpunkt: die ausdrucksvollen, leidenschaftlichen Melodien und Harmonien der Suite del Ángel von Astor Piazzolla (1921-1992) und die traditionellen Rhythmen und Instrumente der Andenregion in der Misa Criolla von Ariel Ramírez (1921-2010).
Veranstaltungsdetails
Die Suite, die aus vier Sätzen besteht, wurde ursprünglich als Begleitmusik für ein Theaterstück komponiert: Die “Introducción al Ángel” (Einführung) ist ein langsamer, hoch emotionaler Tango mit einem schnellen Mittelteil, der von der ruhigen, melancholischen “Milonga del Ángel” (Milonga) mit ihrem typischen synkopierten Rhythmus gefolgt wird. Der emotional aufgeladene dritte Satz “Muerte del Ángel” (Tod des Engels) ist eine schnelle, sehr anspruchsvolle Fuge mit seltsamen, oft sogar grausame Dissonanzen, Intervallen und Harmonien. Die “Resurrección del Ángel” (Auferstehung des Engels) ist ein langsamer, meditativer, fast ätherischer Tango, der gleichzeitig trotzdem fröhlich wirkt. Dieser vierte Satz gehörte nicht zur Theatermusik, er wurde später komponiert und hinzugefügt. Mit diesem vierten Tango beginnt der Wendepunkt des Konzertprogramms: das Terrain des Todes wird verlassen und das Reich der Erlösung betreten.
Ramirez hatte in den 1950er Jahren die erste Inspiration zu diesem tiefreligiösen Werk der Misa Criolla, als er in einem Kloster in Würzburg wohnte. Dort erfuhr er, dass das benachbarte Herrenhaus während des Nationalsozialismus Teil eines Konzentrationslagers war und dass zwei Schwestern acht Monate lang Nacht für Nacht Essen zu den Gefangenen brachten, obwohl dies unter Todesstrafe stand. Zusammen mit einem Freund entwickelte sich dann die Kompositionsidee zu dieser Messe mit argentinischen Rhythmen und Formen. Der Text entspricht der offiziellen spanischen Messliturgie, jeder einzelne Teil wird mit einem anderen Rhythmus interpretiert, der jeweils aus einer Region Argentiniens stammt (Tucumán, Anden, Santiago del Estero, Cochabamba, La Pampa).
Das Programm wird durch solistische Werke und Ensemblestücke von Piazzolla und Ramírez ergänzt.