KunsthalleKarlsruhe@ZKM

Neue Perspektiven im Hallenbau

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Julia - Juli 2023

Anderthalb Jahre lang war die Sammlung der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe für die Öffentlichkeit nicht zugänglich: Das Gebäude musste dringend saniert werden. Doch zum Glück wurde eine spannende Lösung gefunden: Mit der Ausstellung "KunsthalleKarlsruhe@ZKM" ist die Kunsthalle nun im ZKM zu Gast und präsentiert Highlights ihrer Sammlung aus einem neuen Blickwinkel. Wir haben uns die neue Präsentation für euch angeschaut und ein paar erste Eindrücke mitgebracht.

Zu Besuch im wachsenden Kunstquartier

Die Vorfreude ist riesig, als wir endlich in die Ausstellung „KunsthalleKarlsruhe@ZKM“ besichtigen dürfen: Immerhin sind wir seit November 2021, also schon für anderthalb lange Jahre, auf Kunst-Entzug! Seither ist die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, zumindest in ihrem eigentlichen Gebäude in der Hans-Thoma-Straße, wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. Zum Glück wurde auf Einladung des kürzlich verstorbenen ZKM-Leiters Peter Weibel eine tolle Lösung gefunden: Die Kunsthalle stellt Highlights ihrer Sammlung in einer eigenen Ausstellung im Hallenbau aus. Eine super Lösung: Unter einem Dach mit dem ZKM, der Städtischen Galerie und der Hochschule für Gestaltung entsteht so ein einzigartiges Zentrum rund um die Kunst, das in jedem Fall einen Besuch wert ist. Also nichts wie hin und auf in die Welt der Kunst!

Alte Meister mitten unter postmoderner und zeitgenössischer Medienkunst – Passt das zusammen? Wer vor dem Besuch noch gezweifelt hat, kann diese Frage vor Ort ganz schnell mit einem klaren „Auf jeden Fall“ beantworten. Sogar noch besser: Die Ausstellungen ergänzen sich und stellen sich gegenseitig in einen neuen Kontext. Aber von vorne: Wir betreten den Hallenbau und befinden uns erst einmal in den Lichthöfen des ZKM. Das Gebäude, die ehemalige Munitionsfabrik mit industriellem Charme, ist schon an sich bemerkenswert und schafft eine ganz besondere Atmosphäre. Heute geht es für uns jedoch weiter. Durch die Lichthöfe der Hochschule für Gestaltung, in denen die Studierenden an zeitgenössischer Kunst oder Designprojekten arbeiten, gelangen wir zunächst in einen dunklen Raum.

Der Eingang zur Ausstellung

Der Schwellenraum zur Ausstellung mit Videoinstallation von Anna Henckel Donnersmarck

Los geht’s auf Zeitreise

Es ist ein sogenannter „Schwellenraum“, der uns aus dem geschäftigen Treiben der Lichthöfe abholt und mitnimmt auf eine Zeitreise. Hinter einem Vorhang empfangen uns die weißen Skulpturen wichtiger Künstler verschiedener Epochen von Ludwig von Schwanthaler – faszinierend beleuchtet und an die historisch bedeutende Tradition der Kunsthalle erinnernd – und genauso unberührbar und irgendwie fern hinter dem Stoff. Daneben zeigt eine Mehrkanalprojektion von Anna Henckel-Donnersmarck namens „Vier Flügel, zehn Galerien, ein Hof“ uns in jeweils drei großen Bildern, die auf die Wände projiziert werden, Eindrücke aus dem eigentlichen Gebäude der Kunsthalle. Hier sind die Gemälde und Skulpturen an ihrem angestammten Platz. Gelegentlich gehen Mitarbeiter*innen durch die Räume, auch die Geräuschkulisse ist zu hören. Der knarzende Boden, die Tritte… Es ist, als wären wir gestern erst dort gewesen, und doch sind es Bilder aus der Vergangenheit. Wie es wohl sein wird, wenn die Werke (und die zugehörigen Museumsmenschen) wieder in das Gebäude zurückkehren? Diese Frage werden wir wohl noch eine ganze Weile nicht beantworten können. Zum Glück will uns die KunsthalleKarlsruhe@ZKM dafür mit ihrem ganz eigenen Charme entschädigen, und das wollen wir uns jetzt genauer anschauen.

Schweren Herzens verabschieden wir uns vom gewohnten Gebäude und machen uns auf in eine Epoche, die noch viel weiter zurückliegt. Die eigentliche Sammlungspräsentation startet im Mittelalter, und das gleich mit einem absoluten Highlight. Die „Kreuztragung Christi“ von Matthias Grünewald ist ein epochales Meisterwerk, das lange nicht zu sehen war, da dringend eine Restaurierung notwendig war. Zwanzig Jahre nahmen die aufwendigen Arbeiten in Anspruch, bevor das Gemälde jetzt in der neuen Präsentation im ZKM endlich wieder für die Öffentlichkeit zu sehen ist. Das Ergebnis gibt den Mühen recht: Ein beeindruckendes Gemälde erstrahlt in neuem Glanz, die Farben kommen wieder voll zur Geltung und die faszinierende Szene lässt schnell klar werden, warum das Werk als eines der wichtigsten der Sammlung der Kunsthalle gilt.

Skulpturen bekannter Künstler von Ludwig von Schwanthaler

Gang mit frisch restaurierter Kreuztragung Christi (1523/24) von Matthias Grünewald

Bekannte Meisterwerke neu präsentiert

Eine neue Präsentation hat auch das Andachtsbild „Christus als Schmerzensmann“ von Albrecht Dürer bekommen, eines der ältesten Werke der Sammlung von 1493/94. Wir können nun um das Bild herumgehen und beide Seiten betrachten. So wird eine rätselhaft anmutende Rückseite sichtbar, durch die Lichtgestaltung im dunklen Raum noch einmal besonders zentral in Szene gesetzt.

Wir spazieren durch die folgenden Räume und bleiben immer wieder an bekannten Kunstwerken hängen. Die Highlights der Sammlung sind tatsächlich alle wiederzuentdecken und wir freuen uns, wenn wir diese alten Freund*innen wiedertreffen. Die imposante italienische Adlige von Peter Paul Rubens‘ „Bildnis der Veronica Spinola Serra“ blickt genauso elegant auf uns, wie wir sie in Erinnerung haben. Auch das Selbstbildnis Rembrandts, das 1761 über Umwege von Karoline Luise von Baden erworben wurde, ist so detailreich, dass wir fast glauben, den Maler persönlich gesehen zu haben: ein Meisterwerk, das heute noch Künstler*innen inspiriert. Chronologisch bewegen wir uns durch die Geschichte der Malerei, landen irgendwann bei Paul Cézannes bekanntem „Blick auf das Meer bei L'Estaque“ und fühlen uns in den letzten Südfrankreich-Urlaub zurückversetzt, bevor es mit Künstlern wie Gerhard Richter und seinem „Stadtbild F“ von impressionistischen Mittelmeer-Landschaften zur grauen malerischen Luftaufnahme der deutschen Großstadt geht.

Peter Paul Rubens: Bildnis der Veronica Spinola Serra (1605/1606)

Paul Cézanne: Blick auf das Meer bei L'Estaque (1883-1885)

Veränderte Schwerpunkte

Besonders wurde im Rahmen der Neupräsentation darauf geachtet, dass auch weibliche Künstlerinnen in der Ausstellung repräsentiert sind. Erstaunlich, wie viele Frauen schon früh in der Geschichte als Malerinnen erfolgreich waren und doch in Kunstmuseen in der Vergangenheit nicht oft zu sehen waren. Umso mehr freuen wir uns, hier Künstlerinnen aus allen Epochen erleben zu dürfen: Seien es die Stillleben von Clara Peeters aus dem 17. Jahrhundert, die Werke der badischen Hofmalerin Sophie Reinhard, die im frühen 19. Jahrhundert am badisch-großherzoglichen Hof angestellt war über moderne Vertreterinnen wie die Expressionistin Paula Modersohn-Becker oder Jenny Fikentscher, die in der Grötzinger Malerkolonie gearbeitet hat. Auch zeitgenössische Künstlerinnen wie Pia Fries oder Leiko Ikemura sind in der Ausstellung zu sehen.

Die weitläufigen Räume des Industriebaus, die so ganz anders sind als das übliche Haus der Kunsthalle, werden auf spannende Weise genutzt. Schlendert man entlang einer Wand der Ausstellung, führt einen der Spaziergang von den alten Meistern mit jedem Meter weiter bis in die Gegenwart – beinahe wie ein langer Zeitstrahl, dem man folgen kann und der sich so durch die ganze Ausstellung zieht.

Als zentrales Element der Ausstellungsgestaltung wurden Vorhänge eingesetzt, an denen die Bilder scheinbar hängen – oder eher schweben? Durch sie entstehen auch immer wieder kleine abgetrennte Bereiche, die wie separate Zimmer wirken. Hier werden uns die Sammlungen bestimmter Kunstsammler*innen vorgestellt, die die Kunsthalle in den letzten Jahren erworben oder geschenkt bekommen hat.

Blick in die Ausstellung, © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Die Sammlung von Karoline Luise

Die Sammlungen im Fokus

Angefangen bei Karoline Luise, der Markgräfin, auf deren Sammlungstätigkeit sowohl die Kunsthalle als auch das Naturkundemuseum und das Badische Landesmuseum zurückgehen, betrachten wir die Gemälde in einer ähnlichen Hängung, wie sie wohl auch zu ihrer Zeit üblich war. Der Blick wandert von oben nach unten, von links nach rechts – unser modernes Auge ist fast überfordert von so viel Pracht.

Erstmals ist in einem separaten Kabinett auch die Sammlung Röchling zu sehen. Über 50 bedeutende Kunstwerke entstammen dem Vermächtnis von Hermann Röchling, dessen Familie vor allem durch die Völklinger Hütte bekannt ist. In der neuen Präsentation sind endlich einige der Werke für die Öffentlichkeit zugänglich und ergänzen die bestehende Sammlung.

Ein besonders spannendes neues Projekt der Kunsthalle, das erstmals zu sehen ist, ist die neue Sammlung für Fotografie. Während im alten Gebäude noch keine Fotografien gezeigt wurden, wurde in den letzten Jahren ein neuer Sammlungsbereich aufgebaut. In der Ausstellung zu sehen ist nun speziell die Sammlung Stiegler, die 2022 angekauft wurde und etwa 1400 Fotografien umfasst, die teilweise noch aus dem 19. Jahrhundert stammen. Spannend, wie sich diese Technologie in doch recht kurzer Zeit entwickelt hat!

Die Sammlung Stigler in der KunsthalleKarlsruhe@ZKM

Kabinett mit Teilen der Sammlung Röchling, © Staatliche Kunsthalle Karlsruhe

Kunst zum Hören

Bevor wir die „KunsthalleKarlsruhe@ZKM“ wieder verlassen und in den Hallenbau zurückkehren, ist am Ende der Ausstellung noch einmal ein recht reduziert gestalteter Raum zu finden. Mit dem Hörkunstwerk „ZEIGEN. Eine Audiotour durch Baden-Württemberg“ von Karin Sander können wir uns noch einmal ganz auf einen anderen Sinn konzentrieren: Über das Scannen von QR-Codes, die sich an der Wand befinden, können wir Beiträgen von Künstler*innen zuhören, die von gesprochener Sprache bis hin zu Geräuschkulissen reichen können. Noch einmal eine ganz andere Art, Kunst zu erfahren, und ein stimmiger Abschluss für unsere Tour durch die Ausstellung, bevor wir uns wieder in die Lichthöfe des Hallenbaus verabschieden.

Beim nächsten Mal nehmen wir uns fest vor, mit einem der Guides durch die Ausstellung zu gehen. Auch hier hat sich die Kunsthalle etwas Besonderes einfallen lassen: Es stehen mehrere thematische Rundgänge zur Verfügung, die je nach Interesse ganz unterschiedliche Aspekte der Ausstellung betonen. Es gibt also noch viel zu entdecken in den nächsten Jahren!