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Folge #22: Nachhaltigkeit im Theater

KulturTalk

von Julia Gärtner

22.05.2024

KulturTalk mit Anna Haas vom Badischen Staatstheater

Alle sprechen über Nachhaltigkeit. Aber was bedeutet das eigentlich konkret – und vor allem für die Karlsruher Kultureinrichtungen? In ihrer neuen Interview-Reihe „Nachhaltigkeit in der Kultur“ sprechen Julia und Jana mit Expert:innen zu diesem Thema. In Folge 22 ist Anna Haas vom Badischen Staatstheater zu Gast.

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Anna Haas ist seit der Spielzeit 2018/19 Stellvertretende Schauspieldirektorin und Dramaturgin sowie Mitglied der AG Nachhaltigkeit am Badischen Staatstheater in Karlsruhe.

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Außenansicht des Badischen Staatstheaters mit Spiegelung im Brunnen © Badisches Staatstheater, Foto: Thomas Schöneberger

Kultur-Kaffeekranz

Jeden letzten Freitag im Monat eine neue Folge

beim Campusradio Karlsruhe

UKW 104,8 um 11 Uhr

Was bedeutet Nachhaltigkeit überhaupt für ein Theater?

Da geht es um verschiedene Bereiche: um Energie, das ist natürlich der größte Faktor, aber auch um Stromverbrauch, Wärme, Kälte oder Klimaanlagen. Ein ganz wichtiger Faktor ist die Publikumsmobilität. Was in einer Klimabilanz gar nicht so viel ausmacht, ist die Produktion der Bühnenbilder, aber das finde ich trotzdem wichtig. Denn ich glaube, wir alle werden in den kommenden Jahren versuchen müssen, nachhaltiger zu produzieren und Energie zu sparen, unseren CO2-Abdruck zu reduzieren. Unser gesellschaftspolitischer Auftrag ist es, auf der Bühne davon zu erzählen, und ich bin der Meinung, wenn wir davon erzählen wollen, müssen wir auch so produzieren. Es geht auch um soziale Nachhaltigkeit: Das sind einerseits die Themen auf der Bühne, aber andererseits auch, wie wir miteinander arbeiten, dass wir nicht zu viel für die Tonne produzieren, dass wir auch die menschlichen Ressourcen gut einsetzen.

Wie ist denn in der Theaterszene der aktuelle Stand? Was wird in den Häusern schon gemacht?

Während der Pandemie hat sich sehr viel im Kulturbereich ergeben. Verschiedene Gruppen haben sich gegründet, etwa das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit, die eine Weiterbildung für Menschen aus dem Kulturbereich als Transformationsmanager*in für Nachhaltigkeit in der Kultur anbieten. Die habe ich vor einem Jahr auch gemacht. Diese – aktuell etwa 300 bis 400 – Menschen in den Kulturinstitutionen machen sich jetzt gerade an die Umsetzung und bilden auch untereinander ein ganz tolles Netzwerk, in dem Expertisen und Wissen ausgetauscht werden. In den letzten Jahren ist auch entstanden, dass die Kultureinrichtungen Klimabilanzen erstellen müssen. Sie müssen messen, wieviel Energie sie verbrauchen. Auch darin werden wir jetzt Schritt für Schritt eine Expertise entwickeln, denn nur wenn wir messen, wissen wir auch, wo die größten Stellschrauben sind, werden wir auch wissen, wo wir etwas verändern können. Die Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat jetzt aus dem Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit heraus eine Anlaufstelle Green Culture gegründet, an die man sich als Kulturinstitution wenden kann.

> Mehr zum Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit

> Mehr zur Anlaufstelle Green Culture

Wie läuft es denn konkret am Badischen Staatstheater? Was wird dort umgesetzt?

Wir sind noch in den Anfängen. Seit vielen Jahren, schon vor der Pandemie, gibt es eine Nachhaltigkeits-AG, die sich aus Mitarbeitenden des Theaters gebildet hat. Die AG sieht ihre Aufgabe darin, immer wieder in Gesprächen oder Worldcafés mit den Mitarbeitenden herauszufinden: Was sind die Punkte, wo ihr konkret etwas verändern wollt? Wo wird der Support der AG gebraucht? Die AG versucht dann, entsprechende Maßnahmen zu entwickeln, mit der Theaterleitung abzusprechen und dann auch umzusetzen. Wir haben versucht, die Druckerzeugnisse zu reduzieren und auf anderem Papier zu drucken, Abfall zu vermeiden. Gerade sind wir auch mit der Firma ALBA im Gespräch, wie der getrennte Abfall sinnvoll weggebracht werden kann. Im Zuge der Energiekrise ist in der Spielzeit 2022/23 im Bereich der Fernwärme die Emission bereits um 28 Prozent reduziert worden, im Bereich der Stromkosten um 20 Prozent. Wir haben damals auf 19 Grad heruntergekühlt, im letzten Winter dann auf 20 Grad. Dabei haben wir gemerkt: Es geht, wir können unseren Energieverbrauch reduzieren. Das versuchen wir, Schritt für Schritt weiter beizubehalten. In den letzten fünf Jahren wurden im Schnitt jeweils etwa 150.000 Euro investiert in die Umstellung der Beleuchtung auf LEDs. In diesem Jahr gibt es dafür sogar noch einmal eine Sonderinvestition von knapp 250.000 Euro.

Natürlich kann die ganze Arbeit aber nicht einfach eine AG machen, die teilweise zwar in der Arbeitszeit arbeitet, sich teilweise aber auch ehrenamtlich engagiert. Deshalb hat sich die Theaterleitung entschieden, mir die Weiterbildung zur Transformationsmanager*in Nachhaltigkeit in der Kultur zu finanzieren und ab Herbst eine 50%-Stelle für eine Transformationsmanagerin einzurichten, die ich übernehmen werde, um die Arbeit in Sachen Nachhaltigkeit zu professionalisieren. Dann gibt es Menschen, die Arbeitszeit haben, um sich dafür zu engagieren und das Thema wirklich ernst zu nehmen. Zusätzlich gibt es noch eine Mitarbeiterin unseres Kaufmännischen Geschäftsführers, Charlotte Straubinger, die neben einigen Bereichen auch an der Nachhaltigkeit arbeitet und sehr engagiert ist. Tollerweise haben wir auch einen Antrag von der Klimaschutzstiftung Baden-Württemberg bewilligt bekommen, wo wir in ein inzwischen fortgeschrittenes Programm einer Beratung und Workshops für Nachhaltigkeit am Staatstheater kommen. Ansonsten versuchen wir gerade, wie wir Maßnahmen entwickeln können, um unser Publikum zu überzeugen, noch mehr mit dem Rad, zu Fuß oder mit dem öffentlichen Nahverkehr anzureisen oder Fahrgemeinschaften zu bilden. Es sind nämlich immer noch 47% unseres Publikums, die trotz im Ticket bereits inkludierten KVV-Ticket mit dem Auto kommen.

© KTG Karlsruhe Tourismus GmbH

Auf welche Bereiche schaut ihr als Green Consultants?

Wie gesagt ist die Anreise ein Thema, damit verknüpft dann auch die Hotellerie. In Deutschland haben wir ja die Situation, dass es nahezu keine Filmproduktion gibt, die nicht auf irgendeine Weise vom Bund oder Land gefördert ist. Die Fördereinrichtungen haben eine Vereinbarung mit den großen Playern, den Fernsehsendern, Constantin Film oder der UFA, abgeschlossen, sodass man als Produktionsfirma dokumentieren muss, nachhaltig zu drehen und bestimmte Standards einzuhalten, um überhaupt Förderung zu erhalten. Daher braucht man auch Green Consultants, die prüfen, was man optimieren kann. Es geht zum Beispiel auch um die Verpflegung am Set, denn man isst ja nicht in einem Restaurant oder bringt sich Essen mit, alles findet am Set statt. Die Verpflegung sollte regional, saisonal und bio sein. Auch mit rein veganer Verpflegung gab es Versuche, dabei sind jedoch vor allem Gewerker an die Decke gegangen, die für ihren harten Knochenjob ihr Schnitzel haben möchten. Hier sollte man – obwohl es ein Kostenfaktor ist – schauen, dass das Fleisch am Set zumindest Bio-Qualität hat und idealerweise mit einem Tierwohl-Label ausgezeichnet. Wir versuchen aber zu forcieren, dass es auch viele leckere vegetarische und vegane Gerichte gibt, gerade wenn man es nicht so benennt: Pommes sind schließlich auch vegan!

Ein großes Thema ist auch Müllvermeidung. Beim Kulissenbau sollte mit nachhaltigen Materialien gearbeitet werden. Ein Negativ-Beispiel war „Bullyparade - Der Film“: Damals wurden für einen zweiminütigen Sketch zwei LKWs mit Styropor-Quadern verwendet, die zu einem Berg zusammengeklebt und angesprayt wurden. Danach war alles Müll. Wenn man überlegt, wie viele Jahrtausende Styropor im Abbau benötigt, muss man nach alternativen Materialien schauen. Das ist für die Kulissenbauer eine Herausforderung, weil sie die alten Materialien kennen, aber wenn man Neues vorstellt und zeigt, dass es nicht kostenintensiver und wahnsinnig gut zu bearbeiten ist, steigen die meisten gern um.

Technik ist auch ein wichtiges Thema. Bei einem großen Set hatte man früher riesige Tageslicht-Leuchten, die sehr stromintensiv waren, was Beleuchtung zu einem Stromfresser am Set machte. Moderne Technologien sind etwa LEDs, die nicht nur weniger Strom verbrauchen, sondern auch leichter und so schneller aufzubauen sind. Teilweise kann man auch mit Reflektorensystemen arbeiten. Manche Reflektoren können sich nach dem Sonnenstand richten, verwenden also unsere größte natürliche Lichtquelle, die Sonne. Hier ist man total kreativ und findig. Da die Filmindustrie so früh angefangen hat, können hier sicher auch andere Kultureinrichtungen oder auch Branchen von ihr lernen.

Wie stark schätzt du das Interesse in der Branche an dem Thema Nachhaltigkeit ein?

Mittlerweile ist es sehr viel leichter geworden, zu überzeugen. Unsere Gesellschaft ist sich ihrer Verantwortung immer stärker bewusst geworden, gerade in den letzten vier bis fünf Jahren, zum Teil sicher auch durch unsere Arbeit. Man muss weniger erklären, wenn man ans Set kommt und Themen anspricht, und es gibt auch immer günstigere Systeme, sodass man nicht mehr den Diesel-Generator zur Stromerzeugung benutzt, sondern Generatoren mit Akkus oder sogar mobile Solaranlagen. Das hat sich sehr gut weiterentwickelt. Ein tolles Argument ist natürlich, dass es nicht unbedingt teurer ist, sondern auch kostengünstiger sein und Personalkosten sparen kann. In manchen, eher traditionellen Bereichen muss man noch etwas Erklärungsarbeit leisten, aber auch das hat sich verbessert. Und wenn man grün produzieren muss, dann hat man natürlich auch den entsprechenden Druck, dass man sonst keine Förderung bekommt und gar nicht produzieren kann. Es funktioniert nicht immer zu 100 % und man muss individuell schauen, manche Dinge lassen sich auch nicht mit alternativen Möglichkeiten umsetzen. Das ist dann aber auch in Ordnung.

Würdest du sagen, dass das die größte Herausforderung ist? Oder gibt es noch andere schwierige Themen?

Die größte Herausforderung ist es, sowohl das Publikum als auch die Mitarbeitenden mitzunehmen, indem man keine Beschneidungen und Verbote, sondern tolle Anreize schafft und Momente, in denen die Menschen sich gut fühlen. Schließlich will jeder Mensch sich gut fühlen, das nennt man Selbstwirksamkeitserfahrung. Meistens funktioniert das über eine gute Kommunikation oder eben Anreize, warum es toll ist und man stolz auf sich sein kann, wenn man nicht mit dem Auto in die Tiefgarage gefahren ist.

Hättest du auch ein besonders schönes Beispiel, das am Staatstheater umgesetzt wurde und das man als Best Practice-Beispiel nennen könnte?

Wir sind noch dabei, haben aber schon viele tolle Sachen entwickelt. Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass wir, wenn wir die Mülltrennung etablieren wollen, am Ende anfangen müssen. Das heißt, dass wir die Tonnen so stellen müssen, dass alle Menschen, die Müll in die Tonne werfen, ihn auch in die richtige Tonne werfen, damit er dann auch entsprechend entsorgt wird. Rückwirkend geht man dann in die Büros und in die Gänge und schaut dann, dass dort richtig getrennt wird. Es gibt aber auch immer wieder Rückschläge. In meiner Weiterbildung als Transformationsmanagerin war ich in einer Arbeitsgruppe mit fünf Menschen, die sich sehr tolle Maßnahmen überlegt haben, zum Beispiel eine mobile Fahrradgarderobe mit Solardach, die begrünt ist und auch die Ladestation für E-Bikes hat, die wir auch gern auf unseren Vorplatz stellen wollen. Wir wünschen uns eigentlich einen begrünten Vorplatz, einen Garten, wo Initiativen zusammenkommen und wo Menschen sich auch im Sinne der sozialen Nachhaltigkeit treffen. Wir sind Schritt für Schritt dabei, das umzusetzen.

Wie würde für dich ein wirklich nachhaltiges Theater aussehen, gerade auch im Hinblick auf die Produktionen?

Das Theater wäre im besten Fall – wir befinden uns ja mitten in einer Baustelle – nach Nachhaltigkeitsanforderungen saniert. Es wird wohl tatsächlich ein Solardach bekommen. Im schönsten Fall wären dieses Dach und die Fassade auch noch begrünt, inzwischen gibt es ja auch Solarpaneelen, die auf grüne Dächer gebaut werden können. Das wird aber wahrscheinlich nicht passieren. Vor dem Theater wäre ein riesiger Paradiesgarten, in dem Menschen sich treffen können. All das ist aber natürlich nicht geplant, vor allem, weil wir unter dem Haus eine Tiefgarage planen müssen, um ausreichend Parkplätze vorzuhalten. Das würde sich dann ergeben, wenn die Zuschauer:innen alle mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zum Theater kämen, das wäre natürlich schön. Wir würden Schritt für Schritt jedes Jahr 7 Prozent unserer Energie einsparen und Momente finden, wo das möglich ist, um irgendwann auf einen Net-Zero-Standard zu kommen und möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Natürlich hätten wir auch ganz tolle Materialkreisläufe, in denen nichts weggeworfen wird und wir alles schon so bauen, dass das Material weiterverwendet werden kann, ohne blöde Verklebungen. Wir hätten einen tollen digitalen Fundus, wo wir mindestens in Baden-Württemberg unsere Kulissen, Möbel und Kostüme weitergeben könnten. Zumindest im Kostümfundus funktioniert das hausintern schon sehr gut, aber wir würden in ganz Bade-Württemberg, nur wegen der Transportwege nicht weiter, tolle Kreisläufe etablieren. Außerdem würden wir darauf achten, dass niemand zu viel arbeitet, niemand frustriert ist, wir auf gute Arbeitszeiten achten und auch auf Selbstwirksamkeitserlebnisse in der Arbeit.

Vielen Dank...

 für das spannende Gespräch! Wir wünschen dir weiterhin viel Erfolg und Spaß bei deiner Arbeit.