Wie entsteht eigentlich ein Museums-Podcast?

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Julia - Dezember 2023

Marvin Gedigk ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Badischen Landesmuseum im Projektteam zur Großen Landesausstellung „Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau“. Dabei arbeitet er nicht nur täglich daran, eine tolle Ausstellung zu realisieren, sondern ist auch Host des Podcasts „Mönchsgeflüster“, der seit November wöchentlich immer montags um 7 Uhr erscheint und die Vorfreude auf die Ausstellung weckt.

Wie er an diesen Job gekommen ist, was ihm daran besonders Spaß macht und Vieles mehr hat er uns im Interview verraten:

Wie bist du überhaupt zu diesem Job gekommen?

Im Zuge des Projekts haben wir ganz viele spannende Themen und außergewöhnliche Wissenschaftler*innen kennengelernt. Da ich privat mit meiner Frau den Podcast „Epochentrotter“ betreibe, kam schnell die Idee auf, auch für die Ausstellung einen Podcast zu produzieren. So können wir auch über die Themen der Großen Landesausstellung hinaus die interessanten Studien und Forschungsfelder dieser Expert*innen vorstellen.

Innenansicht von St. Georg, Reichenau-Oberzell, 9. Jahrhundert © Reichenau Tourismus, Foto: Theo Keller

Was ist das für Dich Tolle an Podcasts?

Aus meiner Sicht als Podcast-Macher ist es toll, dass Podcasts – auch in ihrer kreativen Gestaltung - nicht so abhängig von Plattformen und deren Algorithmen sind, wie es zum Beispiel Videos bei Youtube sind. Generell erleben Hörmedien, auch Hörbücher oder Hörspiele, nicht erst seit Corona, sondern auch vorher schon einen Boom. Aktuell hören etwa 40% der Deutschen mindestens einmal im Monat ein Hörmedium. Mit einem Podcast kann man daher gut an die Konsumgewohnheiten des Publikums anknüpfen und ein jüngeres, interessiertes Publikum erreichen. Die Inhalte sind immer und jederzeit verfügbar. Gerade im Podcast-Bereich hat sich außerdem in den letzten Jahren eine sehr aktive Geschichts-Community gebildet: Es gibt mittlerweile einige Podcasts in diesem Themenbereich. Da sieht man einfach den großen Bedarf, ja sogar den Wunsch, sich über dieses Medium mit Mittelalter- und Klosterthemen auseinanderzusetzen zu können.

Ecclesia, Kloster Reichenau, um 980, Petershausener Sakramentar, Cod. Sal. IXb, S. 82, Universitätsbibliothek Heidelberg © Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Sal. IXb, Petershausener Sakramentar, S. 82

Himmelfahrt ChristElfenbeintafel, Lothringen oder Lüttich, vermutlich 11. Jahrhundert, Rheinisches Bildarchiv Köln, Museum Schnütgen © Rheinisches Bildarchiv, Foto: Museum Schnütgen, Köln

Was können die Hörer*innen bei „Mönchsgeflüster“ erwarten?

„Mönchsgeflüster“ ist ein Interview-Podcast. Ich als Moderator habe mir in jeder Folge eine*n Wissenschaftler*in eingeladen, die aus ihrem jeweiligen Forschungsgebiet berichten. Persönlich finde ich spannend, dass es – obwohl es ein Geschichtspodcast ist – ganz verschiedene Forscher*innen sind, von Archäolog*innen über Sprachwissenschaftler*innen bis hin zu Naturwissenschaftler*innen, wenn es etwa um Isotopen-Analysen begrabener Mönche geht. Da kommen ganz verschiedene Perspektiven zusammen, die auch einen wunderbaren Themenmix ergeben: von alltäglichen Dingen wie dem Essen im Kloster oder dem Umgang mit Kranken und Menschen mit Behinderung über übergeordnete, europäische Themen wie Kriege oder die Beziehungen zwischen Klöstern im Wissenschaftsbereich und deren Austausch. Darüber sprechen wir dann in jeweils 25 bis 30 Minuten.

Armreliquiar der heiligen Verena von Zurzach, 14. Jahrhundert, Münsterschatz Bad Zurzach © St. Verena-Stiftung

Adelheidkreuz, Reichenau, vermutlich 11. Jahrhundert, Kloster St. Blasien, Stift St. Paul im Lavanttal /Österreich © Museum im Stift St. Paul, Foto: Dr. Gerfried Sitar

Was war dein persönliches Highlight bei der Arbeit am Podcast?

Besonders spannend fand ich das Gespräch mit Albrecht Diem von der Syracuse University in New York, der sich mit der Fragestellung beschäftigt hat, ob es im Kloster des 9. Jahrhunderts gleichgeschlechtliche Liebe gab. Das ist ein tolles Podcast-Thema, weil die Quellen als lateinische Text-Handschriften nur schwer zugänglich sind und es hier wirklich auf die Nuancen des Inhalts ankommt. Albrecht Diem als Experte führt uns gekonnt durch die Ordensregeln und dazugehörigen Kommentare der Zeit, zeigt ihre Entwicklung auf und lenkt den Blick auch auf das, was zwischen den Zeilen steht. Zur Frage selbst möchte ich jetzt noch nicht zu viel spoilern, aber: Das Ergebnis ist anders, als man es heutzutage mit unserem oft kirchenkritischen Blick erwarten würde…

Majestas Domini, Gero Codex, Reichenau, vor 969, Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt © Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt

Mönch Anno übergibt dem Kölner Domherrn Gero ein Buch, Gero Codex, Reichenau, vor 969, Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt © Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt

Was war an dem Projekt besonders herausfordernd?

Die große Herausforderung ist vermutlich, dass man zwar gern moderne Fragestellungen an das Mittelalter stellen kann und auch sollte, aber aufpassen muss, nicht aus unserer heutigen Sicht die Quellen zu interpretieren. Man muss sich wirklich in die Zeit hineinversetzen, die manchmal schwer nachzuvollziehen ist. Damals war die Trennung zwischen der weltlichen und geistlichen Sphäre einerseits sehr präsent, andererseits waren beide Bereiche stark miteinander verwoben. Der Abt der Reichenau war in beiden Sphären aktiv, da er einerseits der Vorsteher der Mönche war, ihm andererseits mit der Reichenau aber auch große weltliche Besitztümer oblagen, die er verwaltete. Dennoch durfte der Abt, der hauptsächlich kirchlicher Würdenträger war, trotzdem nicht alle Aufgaben des weltlichen Bereichs ausführen. Für manche Aufgaben, etwa Hinrichtungen, brauchte er einen Vogt, meist ein niedriger Adliger, der hier für das Kloster tätig wurde. Es gibt aber auch viele weitere Dinge des Alltags, die im Mittelalter einfach ganz anders funktioniert haben.

„Wolfcoz-Evangelistar“, Reichenau, zweites Viertel des 9. Jahrhunderts , Stiftsbibliothek St. Gallen © St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 367, p. 8

Regula S. Benedicti, St. Gallen, erstes Drittel des 9. Jahrhunderts, Stiftsbibliothek St. Gallen © St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 914, p. 13

Was war das lustigste oder skurrilste, was dir bei der Arbeit an einer Podcast-Folge je passiert ist?

Teilweise arbeite ich im Badischen Landesmuseum mit anderer Technik als bei „Epochentrotter“. Da habe ich einmal das Mikrofon einfach falsch herum reingedreht und es erst im Nachhinein bemerkt. In der Aufnahme klinge ich daher, als hätte ich am anderen Ende des Raumes gestanden. Zum Glück gibt es inzwischen sehr gute Tools, mit denen ich das in der Nachbearbeitung beheben konnte.

Codex Karlsruhe 504, Sammlung wissenschaftlicher Texte, 11./12. Jahrhundert © Badische Landesbibliothek

Was wissen die meisten Menschen nicht, was zum Podcasts Machen dazugehört?

Den Leuten ist teilweise nicht bewusst, dass nicht das Aufnehmen der zeitaufwendigste Arbeitsschritt ist, sondern die Postproduktion. Ich führe mit den Interviewpartnern immer ein Vorgespräch, das etwa eine Stunde dauert und in dem ich kläre, welche Themen wir besprechen. Dann tippe ich anhand der Notizen aus diesem Gespräch einen Leitfaden zusammen, um alles auch schriftlich vorliegen zu haben – da Gespräch und Aufnahme oft zeitlich etwas weiter auseinander liegen. Die eigentliche Aufnahme dauert dann rund 45 Minuten mit etwas Vor- und Nachbesprechung. Für den Schnitt und das Hochladen brauche ich dann aber doch noch einmal drei Stunden. Glücklicherweise habe ich da aber die Unterstützung einiger Kolleg*innen. Nicht zuletzt muss man den Podcast dann nach dem Hochladen auch noch bewerben, die Infos dazu auf den Social Media-Kanälen teilen oder eben Interviews wie dieses hier geben.

Gründungsurkunde des Klosters Reichenau, Kloster Reichenau, 12. Jahrhundert, GLA A 3 © Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Generallandesarchiv Karlsruhe, GLA A 3

Wie geht es in Zukunft podcast-technisch weiter?

„Mönchsgeflüster“ soll noch mindestens bis zur Ausstellungseröffnung und ein paar Wochen darüber hinaus weitergehen, es sind erstmal 26 Folgen geplant. Wie es danach weitergeht, ist noch offen – Ideen gibt es aber natürlich viele.

Vielen Dank...

dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast.

Wir wünschen dir alles Gute für deine (Podcast-)Zukunft!