Was macht eigentlich...

eine Direktorin des Badischen Kunstvereins

zum Interview

Julia - Mai 2023

Ebenso bunt wie die Karlsruher Kultur ist die Vielzahl an Berufen in der Szene - manch einer skurriler als der andere. In dieser Reihe stellen wir Euch daher Stück für Stück einige Gesichter vor, die dafür sorgen, dass Oper, Ausstellung, Aquarium und Co. so vor unseren Augen erscheinen, wie sie es tun.

#20: Was macht eigentlich... eine Direktorin des Badischen Kunstvereins?

Anja Casser

... ist die Direktorin des Badischen Kunstvereins. Was genau ihren Beruf ausmacht, erfahrt Ihr im folgenden Interview.

Anja Casser, Direktorin, Badischer Kunstverein, Karlsruhe 2018. Foto Felix Grünschloss

Du bist Direktorin des Badischen Kunstvereins. Was macht man da eigentlich so den ganzen Tag?

Ganz viel passiert an einem Tag. Ich bin ja als Direktorin des Kunstvereins für die Inhalte des Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm zuständig, aber auch für das Budget, die Zahlen, die hinter dem Programm stehen. Mein Tag beginnt mit dem Lesen vieler Emails, dann versuche ich mir ein paar Stunden für die inhaltliche Arbeit freizuräumen, das heißt ich lese Texte, schaue Filme von Künstler:innen, recherchiere. Der weitere Verlauf des Tages beinhaltet sehr viele Meetings, Telefonate, Skypes und Emails mit Künstler:innen oder Partner:innen, die in die aktuellen und zukünftigen Projekte involviert sind. Ich arbeite sicherlich an 5 Ausstellungen gleichzeitig, meistens sogar mehr. Da bespricht man dann, welche Kunstwerke in welchen Räumen gezeigt werden, woher die Technik kommt, die man für die Ausstellungen braucht, was transportiert wird, was vor Ort neu gebaut werden muss. Man ist also die ganze Zeit mit vielen internationalen Künstler:innen und Kolleg:innen im Gespräch, was hoch spannend ist. Im Moment bereite ich beispielsweise das Ausstellungsprogramm für 2024/2025 vor, das heißt, wir haben immer einen relativ großen Vorlauf im Programm, während zeitgleich die aktuellen Ausstellungen und Veranstaltungen laufen, die natürlich auch meine Aufmerksamkeit benötigen, wie beispielsweise die momentane Ausstellung mit der niederländischen Künstlerin Maja Bekan (zu sehen bis 2. Juli 2023).

Aber das ist nicht alles, denn es gibt auch zahlreiche infrastrukturelle Dinge zu bearbeiten, nicht nur, was die Finanzierung von Ausstellungen und Veranstaltungen angeht, sondern auch, was die Pflege und Instandhaltung im Inneren des historischen Gebäudes betrifft, die Zusammenarbeit mit dem Vorstand und dem Kuratorium, die Kommunikation mit meinen Kolleginnen in der Presse (Denise Rieflin), der Ausstellungsassistenz (Yvonne Fomferra) und des Sekretariats (Heidi Herzig) sowie meinem Kollegen im Ausstellungsaufbau (Hubert Distel).  Dazu dann natürlich die spontanen, alltäglichen Dinge, die immer so anfallen. Und da die Kosten immer mehr steigen, schreibe ich mit meiner Kollegin Yvonne fast täglich an Anträgen, um für spezifische Ausstellungen Gelder zu beantragen. Das sind in der Regel Fördermittel von Stiftungen, Botschaften oder Sponsoren.

Ausstellungseröffnung, Noa Eshkol, Angles & Angels mit Performance der Noa Eshkol Chamber Dance Group, Badischer Kunstverein, Karlsruhe 2016. Foto Felix Grünschloß

Wie bist Du zu diesem Job gekommen?

Ich habe Kunstgeschichte in Freiburg und München studiert und danach erst einmal als freie Kuratorin gearbeitet, für große Festivals, Museen und Kunstvereine. Als ich von der Ausschreibung für den Direktor:innen-Posten im Badischen Kunstverein gehört habe, wollte ich mich unbedingt bewerben, da ich hier schon einmal einen Vortrag gehalten hatte und von den Ausstellungsräumen und den Möglichkeiten begeistert war. Es wurde und ist mein absoluter Traumjob.

Was macht Dir an diesem Job in der Kultur besonders Spaß? Was sind die Herausforderungen?

Es macht mir Spaß mit vielen internationalen Partner:innen zu korrespondieren, ständig zwischen den Sprachen zu wechseln, eng mit den Künstler:innen und ihren Werken zu arbeiten und immer wieder neu zu sehen, wie die Kunst in unseren Räumen gezeigt werden kann. Die Arbeit mit den Künstler:innen vor Ort ist das Spannendste, auch die Vorbereitung mit vielen Möglichkeiten und Ideen macht Spaß. Aber die konkrete, gemeinsame Realisierung der Ausstellung im Aufbau und das gemeinsame Feiern der Eröffnung sind immer wieder ganz besondere Momente.

Herausfordernd ist das Multitasking, den Blick für das Wesentliche zu behalten und Prioritäten zu setzen. Wenn man an so vielen Ausstellungen gleichzeitig arbeitet (und die Publikationen nicht zu vergessen!) verliert man schnell den Überblick. Eine weitere Herausforderung sind die steigenden Kosten bei zumeist gleichbleibender Förderung im Kulturbereich. Auch bei uns wird vieles teuer und als gemeinnützige Institution sind wir auf öffentliche Gelder und Drittmittel angewiesen und der Bedarf steigt. Es ist eine Herausforderung so ein Ausstellunghaus mit fast 1000 qm wie ein Schiff durch viele Unabwägbarkeiten zu navigieren.

Symposium Kathy Acker, Get Rid of Meaning, Badischer Kunstverein, Karlsruhe 2018. Foto Felix Grünschloß

Was war bisher Dein persönliches Highlightprojekt?

Tatsächlich ist jede Ausstellung ein Highlight auf immer sehr eigene und verschiedene Weise. Ein besonderes Ereignis war die 200-Jahr-Feier des Kunstvereins 2018 mit einem großen Buffet auf der dafür gesperrten nördlichen Waldstraße, zu dem wir alle Bürger:innen der Stadt einladen konnten, um mit uns zu feiern. Wenn man bedenkt, dass Karlsruhe als Stadt 2015 300 Jahre alt wurde, ist es phänomenal, dass engagierte Bürger:innen nur 103 Jahre nach der Gründung ihrer Stadt bereits ein eigenes Ausstellungshaus für die damals aktuelle Kunst errichteten. Wir werden ja bis heute von über 1000 Mitgliedern in unserer Tätigkeit unterstützt und so war es natürlich auch klar, dass wir mit möglichst vielen Einwohner:innen unser Jubiläum feiern wollten. 2012 wurden wir mit dem Kunstvereins-Preis der ADKV-ART COLOGNE-Preis ausgezeichnet, das war auch eine wichtige Bestätigung. Und als wir die Ausstellung mit der Künstlerin Lubaina Himid 2017 in Karlsruhe zeigten, wurde diese in London für den Turner-Prize nominiert, die wohl wichtigste Auszeichnung für zeitgenössische Kunst, den sie dann später auch gewann. Da haben wir uns riesig gefreut und alle Welt schaute zum Badischen Kunstverein nach Karlsruhe.

Ausstellungsansicht Lubaina Himid, The truth is never watertight, Badischer Kunstverein, Karlsruhe 2017. Foto Stephan Baumann

Was wissen die meisten Menschen nicht über Deinen Beruf?

Viele Menschen in Karlsruhe wissen nicht, dass wir so ein internationales zeitgenössisches Ausstellungsprogramm und schon viele Künstler:innen gezeigt haben, die anschließend einen richtigen Karrieresprung hatten. Viele Menschen glauben auch, dass Kunst wenig Arbeit bedeutet, eher so ein Hobby ist. Das stimmt absolut nicht, denn so viele Ausstellungen und Veranstaltungen zu organisieren, mit so vielen Menschen gleichzeitig zu kommunizieren und zugleich dafür zu sorgen, dass Programm und Haus finanziert werden können, ist eine große, aber auch sehr bereichernde Verantwortung für ein Team aus lediglich 5 festen Mitarbeiter:innen.

Ausstellungsansicht Alex Martinis Roe, To Become Two, Badischer Kunstverein, Karlsruhe 2017. Foto Stephan Baumann

Was war bisher Dein skurrilstes, lustigstes oder erinnerungswürdigstes Erlebnis auf der Arbeit?

Es gibt viele lustige Erlebnisse, aber ich greife vielleicht eines heraus: Für eine Performance von Henrik Plenge Jakobsen im Rahmen der Ausstellung von Susanne Winterling benötigten wir ein Pferd. Dieses Pferd sollte während der ganzen Performance im so genannten Lichthof neben dem Künstler stehen. Zunächst wurde uns ein Pony angeboten, aber tatsächlich kam ein Württemberger Warmblut, ein recht großes Pferd, das durch unseren Lieferanteneingang in den Ausstellungsraum geführt wurde und dort fast neugierig den Worten des Künstlers lauschte, ein paar Äpfel fallen ließ und anschließend wieder herausgeführt wurde. Ein lebendiges Pferd als Performer in einer Ausstellung zu haben ist natürlich schon sehr skurril. Aber ohnehin erlebt man ständig lustige „Bestellungen“ oder tätigt manche kuriose Anfrage und Recherche, wenn für eine Ausstellung ein Bienenstock, viele Strohballen, eine Mauer aus Bruchsteinen, große Palmen oder besonders giftige Pflanzen gebraucht werden.

Vielen Dank...

... dass du uns Einblicke in deinen Alltag als Direktorin des Badischen Kunstvereins gegeben hast. Wir wünschen Dir weiterhin viel Spaß bei deiner Arbeit und viel Erfolg für deine Zukunft.

Mehr Infos zum Badischen Kunstverein findet ihr hier.