Kammertheater goes Autokino!

– Ein virtuelles Interview mit Intendant und Regisseur Ingmar Otto

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Katja · Mai 2020

Seit Mitte März musste das Kammertheater den Spielbetrieb auf Eis legen... Doch zur Überbrückung der Wartezeit wurde ein neues Format entwickelt: Kammertheater goes Autokino! Seit dem 22. April läuft nun das Autokino auf dem Karlsruher Messplatz. Anfangs nur mit einem abendlichen Filmprgramm, gibt es nun auch Kino für Kids am Nachmittag. Das Programm des Autokinos Karlsruhe wird stetig erweitert, sodass neben Kinofilmen, Konzerten und Comedy-Shows nun auch das Kammertheater wieder regelmäßig für sein Publikum da sein kann. Wir haben mit Kammertheater-Intendant und -Regisseur Ingmar Otto über die Idee des Autokinos und alternative Programmangebote gesprochen...

Unser Stargast:
Ingmar Otto ist seit Herbst 2012 Intendant des Kammertheaters Karlsruhe. Er inszenierte u.a. Stücke wie „Comedian Harmonists“, „Honig im Kopf“ oder „Mamma Macchiato“. Außerdem schrieb er zahlreiche Stücke, darunter „Wolfgang Amadeus Mozart“, „Singleparty“, oder das Musical „Show Must Go On“. 2015/16 inszenierte Ingmar Otto verschiedene Stücke für das Badische Staatstheater, das Theater Paderborn sowie Freilichtproduktionen.

Ingmar Otto; © Tom Kohler

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Autokino anzubieten?

Als am 13. März aus dem Rathaus die Nachricht kam, dass der Spielbetrieb mit sofortiger Wirkung auf unbestimmte Zeit eingestellt werden muss, hat es uns den Boden unter den Füßen weggezogen. Um nicht all unsere Künstler in die Arbeitslosigkeit zu schicken, haben wir die Stadt Karlsruhe darum gebeten, auf dem Messplatz unsere Vorstellungen mit den Mitteln des Autokinos zu spielen. Dieser Wunsch wird jetzt erst Wirklichkeit, aber das klassische Autokino hat man uns ans Herz gelegt.

Was ist das Besondere am Format "Autokino"?

Die meisten Zuschauer haben das Zeitalter der Autokinos, die in den sechziger Jahren boomten, nicht mehr mitbekommen, drum ist es auf jeden Fall ein besonderer Kinobesuch. Man nimmt seine Privatsphäre mit ins Kino, seine eigene Karre. Wir sehen abends auf dem Platz wirklich entzückende Versionen des Kinobesuchs, da werden Kofferräume zu Liegewiesen, Lichterketten auf Armaturenbrettern und Picknickgelage zwischen Steuerknüppel und Kindersitz.

Autokino von oben; © Marvin Peterlink

© Philipp Mönckert

Wie viele flinke Hände und Vorbereitungszeit braucht es, um den Besucher*innen hinter der Autoscheibe ein spannendes Filmprogramm zu bieten?

Damit das Autokino am 22. April eröffnen konnte, brauchte es viele flinke Hände, vor allen Dingen telefonierende Finger, tolle Firmen, die unsere Vorstellungen in der außerordentlichen Dimension realisieren konnten, eine Stadtverwaltung, die uns stark organisatorisch unterstützt hat, und viel Glück bei Filmverleihern, Behörden und Lizenzgebern, um begeisterungsfähige Partner zu finden.

Auf welche tollen Filme oder auch Auftritte können wir uns in Zukunft beim Autokino freuen?

Das Kinoprogramm weiten wir kontinuierlich aus, zum Beispiel bieten wir jetzt auch Filme im Originalton mit Untertiteln an, ein Streifen von Woody Allen macht den Anfang. Besonders sehenswert ist sicher auch am 6. Juni der neue Film über das Festival WACKEN, das diesen Sommer ja auch ausfallen muss. Es lohnt sich, immer mal wieder auf der Homepage des Autokinos zu schauen.

Was war Ihr bisheriges Film-Highlight? Oder bei welchem Auftritt im Autokino hatten Sie besonders viel Spaß?

Die Eröffnung war natürlich ein Highlight, außerdem war es für unsere Mitarbeiter eine Freude, bei der Vorführung eines Horrorfilms die Zuschauer live verkleidet zu erschrecken - Ich hätte nicht gedacht, dass das so gut funktioniert. Es wurde viel geschrien. Und besonders schön war die Tatort-Preview mit 1.200 Zuschauern, dem SWR Team vor Ort und natürlich im Interview Richy Müller, der bei uns ja ständiger Gast auf der Bühne ist.

Inwieweit möchten Sie das Autokino-Angebot weiterführen, wenn der "normale" Theaterbesuch wieder möglich ist?

Ich fürchte, die Frage wird sich erst mal nicht stellen, die Auflagen für Veranstaltungen sind auf unbestimmte Zeit so, dass für uns weder im großen, noch im kleinen Haus ein Spielbetrieb rentabel wäre. Wir können unsere Aufgabe, die wir mit Hingabe erfüllen würden, ohne einen finanziellen Rückhalt durch Stadt und Land nicht bewerkstelligen. Es dürfen aktuell nur so wenige Zuschauer in die Säle, dass jede Vorstellung im Theater unser finanzielles Loch erheblich vergrößern würde. Drum gehen wir andere, spannendere Wege! Die meisten unserer Stücke inszenieren wir Corona-gerecht in einer aufwendigeren und größeren Freilichttheater-Version auf dem Messplatz. Das Bühnengeschehen wird zusätzlich von Kameras abgefilmt und auf die Leinwände projiziert. Das gibt noch mal ganz neue Möglichkeiten. Und als Höhepunkt des Sommers wird es eine eigene neue Musicalproduktion im Autokino geben. Gemeinsam mit Artisten vom Zirkus Flic Flac produzieren wir die Uraufführung HEART ROCK. Das wird abgefahren und letztlich nur durch diese besondere Situation möglich. Fliegende Motorradfahrer treffen auf unsere Sänger, der indische Akrobat zwischen der Rockband. Schauspiel, Musical, Video und vor allen Dingen Artistik auf Weltklasseniveau gemischt an einem Abend. Diese verschiedenen Kunstformen hätten ohne die Besonderheit dieses Sommers nicht zusammen gefunden.

Musical Nights; © Kammertheater

Was vermissen Sie am meisten an Ihrer Arbeit im Theater? Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn die Theater endlich wieder öffnen dürfen?

Als Regisseur antworte ich: die Proben. Als Theaterleiter fehlt mir der besondere Moment, in dem sich die Saaltüren öffnen und eine Menschenmenge ganz angeregt aus dem Saal strömt.

Konnten Sie die (gezwungenermaßen) freie Zeit nutzen, um an Stücken zu schreiben? Wenn ja, auf welche neuen Stücke können wir uns demnächst freuen?

Freie Zeit? Ein geschlossenes Theater macht mehr Arbeit als ein florierendes. Wir sind seit Stunde Null darum bemüht, für alle enttäuschten Zuschauer eine gute Lösung der Kartenrückgabe zu finden und Ausweichtermine im Jahr 2021 zu schaffen für unsere Stücke. Der eigentlich geplante Spielplan wurde über den Haufen geworfen und alles neudisponiert… aber ja, es war wohltuend, etwas Kreatives anzufangen und für das Musical HEART ROCK die Feder zu spitzen. Es schmeckte wie das erste Stück Schokolade nach sechs Wochen Fastenzeit. Da sprudelten die theatralen Geschmacksknospen, so kann ich ein tolles Spektakel versprechen, dass wir nicht länger als bis zum 01.08. spielen können, denn dann geht der Zirkus wieder auf Tour durch Europa. 

Was würden Sie sagen: Was ist der größte Unterschied zwischen Theater-und Kinobesuchern?

Ich habe noch nie einen Theaterzuschauer in Schlafanzughose und Adiletten zum WC wackeln sehen - Schade eigentlich - das gibt es nur im Autokino.

Inwieweit denken Sie, interessieren sich die Theaterfans auch dafür, sich auf dem Messplatz Filme anzuschauen?

Rührende, lustige, aufregende Geschichten werden nicht nur auf dem Theater erzählt, auch im Kino. Ich kann jedem Theaterfan nur empfehlen, auch mal ins Kino zu gehen und umgekehrt. - Kein Auto zu haben ist auch kein Grund mehr fürs Ausbleiben, denn ab sofort stehen Autos zur Verfügung, die vor Ort besetzt werden können. Das Autokino ohne Auto ist an unserer Theaterkasse buchbar.

Vielen Dank für das Interview, lieber Herr Otto! Wir freuen uns schon auf einen tollen Autokino-Sommer!

Wer gerne bequem zu Hause Kultur erleben möchte - kein Problem! Nach wie vor stehen natürlich auch unsere digitalen Angebote aus der Karlsruher Kulturszene auf unserer Kultur@Home-Webseite zur Verfügung.

Bleiben Sie gesund, tanken Sie Kultur - sowohl analog als auch digital - und unterstützen Sie dabei Ihre lokale Kulturszene!

Hier geht es um zum Interview mit dem Schwarzwaldradio: