Update! Die Sammlung neu sichten

in der Städtischen Galerie Karlsruhe

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Dirk - August 2023

Seit dem 29.07. hat die Städtische Galerie Karlsruhe nach kurzer Sanierungspause wieder geöffnet und zeigt nicht nur zwei neue Sonderausstellungen, sondern auch eine neue Präsentation der Sammlung. Die komplette Sammlung wurde neu gedacht, in fünf Themenbereich gegliedert, Altbekanntes in neuem Kontext präsentiert und auch neue Kunstwerke finden hier ihren Platz in der Öffentlichkeit. Wie das Ganze aussieht und was es Neues zu sehen gibt, erfahrt ihr hier.

Fünf Themen, eine Sammlung

Ich mache mich, mit einem Audio-Guide bewaffnet, direkt auf den Weg ins 1. OG des imposanten Hallenbaus. Hier oben beginnt der Rundgang durch die Sammlung, die auf zwei Ebenen präsentiert wird und von allen Seiten in dem offenen Lichthof einsehbar ist. Große schwarze Stelen kündigen jeden neuen Themenbereich an, die auch jeweils voneinander durch unterschiedliche Wandfarben abgegrenzt sind. Ich bemerke jedoch im Laufe des Besuchs, dass die Grenzen an manchen Stellen doch etwas verwischen und, dass so manche Wechselbeziehungen zwischen Kunstwerken bestehen, die nicht dem gleichen Thema zugeordnet sind.

Identität

In großen weißen Lettern springt uns sofort der Begriff „Identität“ ins Auge. Der erste Themenbereich beschäftigt sich mit den verschiedenen Rollenbildern, eigenen und fremden.

Direkt neben dem Infotext treffe ich auf eine alte Bekannte. Karl Hubbuchs „Lissy im Café“ grüßt mich mit ihrem verschmitzten Lächeln und lädt dazu ein, den Rundgang durch die Sammlung an dieser Stelle zu beginnen. An dieses bekannte Gesicht schließt sich Marlene Dumas' „Female“ an, eine Serie von Frauenporträts, in denen ausschließlich die Gesichter der Abgebildeten zu sehen sind. Keine Kleidungen oder Umgebungen geben weitere Aufschlüsse über die dargestellten Personen – Anders als bei „Lissy“ mit ihrer auffällig überzeichneten Mimik und dem auffälligen Pelzmantel, die provokativ zu den Betrachtenden gestikuliert.

17% - Künstlerinnen der Sammlung

Weitere Porträts, Selbstporträts und Personendarstellungen bekannter Künstler*innen führen uns zum nächsten Themenbereich „17%“. Hinter dem kryptisch wirkenden Titel versteckt sich der Anteil weiblicher Künstler*innen in der Sammlung der Städtischen Galerie. Die Neuausrichtung der Sammlung soll eben auch Künstlerinnen, die bislang weniger Beachtung gefunden haben, eine Präsentationsfläche bieten.

Diesem Missstand tritt die Städtische Galerie entgegen und hat Künstlerinnen nicht nur einen eigenen Themenbereich gewidmet, sondern stellt auch in der gesamten Sammlungspräsentation ungefähr 50% weibliche Künstler*innen aus. Zu sehen sind berühmte Künstlerinnen wie Hanna Nagel, die in ihrem Werk „Der Paragraph“ von 1931 den Abtreibungsparagraphen 218 anprangert, der seit 1871 galt und zugleich ein Thema aufgreift, das in unserer heutigen Zeit leider nichts an Aktualität verloren hat.

Natur – Mensch, Mythos, Medium

An Franz Ackermann vorbei, dessen knallbunte Werke bereits vor dem Umbau ausgestellt waren, geht es im gleichen Stockwerk mit dem dritten Themengebiet weiter: „Natur – Mensch, Mythos, Medium“. Plastische, reliefartige Strukturen, fein gepinselte Gemälde, Fotografien und scheinbar abstraktes Chaos finden sich hier unter dem Übergriff „Natur“ zusammen.

Einsame Bahnhaltestellen, idyllische Sehnsuchtsorte und Gebäude, die von der Natur zurückerobert wurden, wie in „Königsberg Sprungturm“ von Boris Becker (nicht der Tennisspieler).

Eine Handvoll Heimatland

Weiter geht es mit den letzten beiden Themengebieten, die sich ein Stockwerk weiter oben befinden. Den auffälligsten Kontrast zu den teils sehr farbenfrohen Naturdarstellungen bildet hier Thomas Ruffs Fotografie „Haus Nr.3 II“. Eine trist wirkende Wohnhausfassade, die nüchtern und sachlich abgelichtet wurde und so frei von Individualität oder Besonderheiten ist, dass das Haus überall stehen könnte. Eine ähnliche Nüchternheit erkennt man bei den Fotografien von Bernd und Hilla Becher, in denen unterschiedliche Industriekomplexe fotografiert wurden. Alle unterschiedlich, aber aufgrund ihres Nutzens doch ähnlich.

Rituale – der Sinn des Immergleichen

Die größte Überraschung waren für mich die japanischen Farbholzschnitte, die einen Raum weiter das Thema „Rituale“ aufgreifen. Bunte Darstellungen des „Hanami“, des alljährlichen japanischen Kirschblütenfests, reihen sich hier ein neben Darstellungen von religiösen Segnungen oder eines Wasserglases, das sich die meisten Menschen allabendlich neben das Bett stellen. Dieses Wasserglas wird in der Arbeit des Künstlers Peter Dreher auch zu einem Ritual des Malens: Der Künstler hat das selbe Motiv über lange Zeit immer wieder gemalt. Im Alltag, im Glauben oder in den meisten Bereichen unseres Lebens sind wir durch Rituale bestimmt, derer wir uns mehr oder weniger bewusst sind und die in diesem Themenbereich aufgegriffen werden.

Es endet, wie es beginnt

Über einer der Brücken im Lichthof prangt vor einem verglasten Raum der Schriftzug „Hubbuch-Archiv“. Mit Karl Hubbuchs „Lissy im Café“ hat unser Besuch in der Städtischen Galerie begonnen und mit Hubbuch endet unser Rundgang. In diesem Raum wird es den Besucher*innen ermöglicht, Teil der Digitalisierung und Erforschung des weltweit größten Werkbestands des Karlsruher Künstlers zu werden. Ein Raum für die Wissenschaft und Öffentlichkeit, der ebenso Teil der Neuausrichtung der Städtischen Galerie ist wie die Neugestaltung der Sammlungspräsentation.

Update! Die Sammlung wurde gesichtet

Natürlich gibt es neben der Sammlung auch immer Sonderausstellungen in der Städtischen Galerie zu erkunden, aktuell „Ulla von Brandenburg: It Has a Golden Sun and an Elderly Grey Moon“ und „Tenki Hiramatsu – Unendliche Zigarettenpause“. Die interessanten künstlerischen und zeitgenössischen Perspektiven, die man bisher vor allem in den Sonderausstellungen entdecken konnte, findet man nun auch in der Sammlung. Spannende Dialoge verschiedenster Kunstwerke unterschiedlicher Epochen oder Gattungen regen dazu an, Etabliertes in Frage zu stellen, sich Neuem zu öffnen und laden dazu ein, die Städtische Galerie Karlsruhe immer mal wieder zu besuchen.