Karlsruhe ist nachhaltiges Reiseziel

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Julia - Januar 2024

Alle sprechen über Nachhaltigkeit. Aber was bedeutet das eigentlich konkret - und vor allem für die Karlsruher Kultureinrichtungen? In ihrer neuen Interview-Reihe "Nachhaltigkeit in der Kultur" sprechen Julia und Jana mit Expert:innen zu diesem Thema. Die Interviews werden immer am letzten Freitag des Monats im Campusradio beim Podcast Kultur-Kaffeekranz gesendet. Wer die Sendung verpasst hat, kann sie jederzeit hier nachhören oder auf unserem Blog nachlesen.

#1: Nachhaltiges Karlsruhe: Impulse von Jana Kolodzie

Karlsruhe ist nachhaltiges Reiseziel! Im Oktober 2023 hat die KTG den Zertifizierungsprozess erfolgreich abgeschlossen. Aber was heißt das überhaupt? Und was bedeutet es für die Kultur in Karlsruhe? Jana Kolodzie ist gebürtige Berlinerin, aber überzeugte Wahl-Karlsruherin und seit über 25 Jahren Touristikerin aus Leidenschaft. Seit 2018 ist sie bei der KTG Karlsruhe Tourismus GmbH zuständig für Touristische Entwicklung und Nachhaltigkeit. Mit ihr haben wir über Nachhaltigkeit in Karlsruhe und seiner Kulturszene gesprochen.

Karlsruhe ist als nachhaltiges Reiseziel zertifiziert worden. Was ist denn ein nachhaltiges Reiseziel überhaupt?

Eine nachhaltige Ausrichtung bedeutet im Tourismus, dass man ökologisch, ökonomisch und sozial sinnvolle Maßnahmen entwickelt. Der Zertifizierungsprozess zum nachhaltigen Reiseziel wurde 2016 von den baden-württembergischen Regionen und dem Unternehmen TourCert ins Leben gerufen. Inzwischen ist er deutschlandweit möglich. Das Ziel ist dabei, beliebte Reiseorte in Deutschland nach den Nachhaltigkeitskriterien zu durchleuchten und dadurch eine Weiterentwicklung zu ermöglichen. Wenn man sich direkt die Angebote anschaut, zeichnen diese sich durch Möglichkeiten zur umweltfreundlichen Anreise aus, durch barrierefreie Zugänge zu den touristischen Attraktionen, durch ein breites Angebot an regionalen Produkten und Vielem mehr.

Was ist in Karlsruhe denn besonders nachhaltig?

Nachhaltigkeit ist ein zentraler Teil von Karlsruhe DNA. Wir sind Mitglied des Bio-Städte-Netzwerks, Fairtrade-Stadt und haben schon 2016 den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen. Außerdem ist Mobilität eine der ganz großen Stärken der Stadt, ob das weltberühmte ÖPNV-System oder das umfangreiche Sharing-System für Bikes, E-Roller oder Autos.

Wie sieht es denn im Karlsruher Tourismus aus?

2023 stand in Karlsruhe unter dem Motto „Genuss“: Alleine im Bereich der veganen und vegetarischen Küche haben wir tolle Best Practice-Beispiele. Da ist zum Beispiel das Restaurant „erasmus“, das im Dammerstock in einem Bauhaus-Bau toll untergebracht ist, seit vielen Jahren Bio Fine Dining anbietet und einen grünen Michelin-Stern trägt. Viele Hotelbetriebe sind mittlerweile auch nachhaltig zertifiziert. Wir sind eine grüne Stadt: Die KTG hat schon 2017 die NaturRADtour auf den Weg gebracht, auf der man Naturschutzgebiete, aber auch die unterschiedlichen Regionen, in denen Karlsruhe liegt, erkunden kann.

Wie genau kann man sich so einen Zertifizierungsprozess denn vorstellen? An welchen Projekten wurde gearbeitet?

In einem Prozess schaut man sich immer viele verschiedene Aspekte an. Zum einen haben wir die KTG als Unternehmen betrachtet. Welche Prozesse und Strukturen sind schon nachhaltig ausgerichtet? Zum anderen schaut man auch in die Stadt und die touristischen Angebote. Wir haben Nachhaltigkeitsbeauftragte ausgebildet, uns eine große Bestandsaufnahme vorgenommen und ein Verbesserungsprogramm entwickelt. Ein Schwerpunkt lag dabei auf dem Thema des Wissenstransfers. Mit sogenannten Nachhaltigkeitsduschen haben wir das Team auf einen einheitlichen Wissensstand gebracht. Dann haben wir eine Nachhaltigkeitschallenge, eine „change challenge“, durchgeführt, bei der alle Mitarbeitenden sich eine Challenge aussuchen konnten, wie sie ihr Leben in den kommenden vier Wochen nachhaltiger gestalten wollen. Hier war vom plastikfreien Bad über die Nutzung der Treppen statt des Aufzugs bis hin zum veganen Essen alles dabei. Schön war, dass es sehr viel Spaß gemacht hat und wir sehr viel darüber gesprochen haben. Wir haben uns gegenseitig motiviert, dranzubleiben und konnten auch Freunde oder Familie in die Challenge integrieren. Auch für die LeistungsträgerInnen im Tourismus war uns das Thema Wissenstransfer wichtig: Für sie haben wir zwei Jahre lang Schulungen angeboten. Bei „Nachhaltigkeit zum Frühstück“ ging es um allgemeine Nachhaltigkeitsthemen, bei „Lunch and Learn“ ging es im Rahmen des Genussjahrs um Lebensmitteltransportwege, Lebensmittelverwertung oder Greenwashing, aber auch um die Gestaltung nachhaltiger Speisekarten.

Foto: Fabry

Foto: Fabian von Poser

Wie sieht es denn in der Karlsruher Kultur mit der Nachhaltigkeit aus?

Das ist eine spannende Frage, denn die Kultur ist ein ganz wichtiger Teil des Tourismus in Karlsruhe. Die Kultureinrichtungen sind schon auf einem sehr guten Weg, beschäftigen sich mit dem Thema Nachhaltigkeit. Zum Teil gibt es schon Nachhaltigkeitsbeauftragte. Gewisse Institutionen haben Pflichten, Bericht über Nachhaltigkeit zu erstatten: Was wird schon getan? Wie sind die Treibhausgas-Emissionen? Zusätzlich gibt es großes Engagement beim Wissenstransfer und bei der Vermittlung nachhaltiger Angebote wie Ausstellungen oder Filme. Bisher fehlt leider eine einheitliche Zertifizierungsmöglichkeit, wie sie für den Tourismus jetzt geschaffen wurde. Da wollen wir aber hin. Die Kultur hat nämlich genauso wie der Tourismus das Problem: Ohne Anreise und damit verbundene Emissionen funktioniert beides nicht, die Angebote sind also immer ambivalent in Bezug auf ihre Nachhaltigkeit.

Hast du als Nachhaltigkeitsexpertin Tipps für Kultureinrichtungen, die nachhaltiger werden wollen?

Um beim in Karlsruhe so zentralen Thema der Mobilität zu bleiben: Jede Kultureinrichtung gibt auf ihrer Website Tipps zur Anreise. Warum hier nicht einmal auf das Auto verzichten und die nachhaltigen Reisewege in den Fokus rücken? Außerdem geht es auch immer wieder um die Produktion: Welche Materialien werden verwendet? Können Materialien wiederverwendet werden – von einer Ausstellung oder einem Bühnenbild zum nächsten? Da gibt es viele Möglichkeiten, kleine, aber feine Schritte zu gehen. Auch beim sozialen Engagement besteht großes Potential. Es gibt ja schon das tolle Angebot in Karlsruhe, an Freitagnachmittagen kostenlos in Museen gehen zu können. Das ist ein Beispiel für soziale Teilhabe, das seinesgleichen sucht.

TMBW, Foto: Christoph Düpper

Wie geht es jetzt weiter mit dem nachhaltigen Reiseziel Karlsruhe?

Nachhaltigkeit ist immer ein Prozess. Das Zertifikat bescheinigt uns, dass wir auf einem sehr guten Weg sind, der ist aber wegen der erfolgten Zertifizierung nicht abgeschlossen. Wir haben uns viele Dinge vorgenommen, werden unser Unternehmen weiter unter die Lupe nehmen und unseren Treibhausgas-Effekt reduzieren, Beschaffungsrichtlinien anpassen und vieles mehr. Wir werden aber auch in die Stadt schauen, wollen mehr Partner:innen gewinnen und so noch mehr erlebbare Angebote schaffen. Der Verbesserungsplan umfasst auch das Ziel, einheitliche Kriterien für die Zertifizierung auch von Kulturinstitutionen zu schaffen. Karlsruhe soll dabei deutschlandweit Vorreiter sein.

Vielen Dank...

für das Interview! Wir sind sehr gespannt, wohin der Weg zur nachhaltigeren Kultur uns führen wird.