Vom Öko-Techno zum Mitmach-Garten

Zum Interview

Julia - Januar 2024

Alle sprechen über Nachhaltigkeit. Aber was bedeutet das eigentlich konkret - und vor allem für die Karlsruher Kultureinrichtungen? In ihrer neuen Interview-Reihe "Nachhaltigkeit in der Kultur" sprechen Julia und Jana mit Expert:innen zu diesem Thema. Die Interviews werden immer am letzten Freitag des Monats im Campusradio beim Podcast Kultur-Kaffeekranz gesendet. Wer die Sendung verpasst hat, kann sie jederzeit hier nachhören oder auf unserem Blog nachlesen.

#2: Biodiversität und Umweltbildung in Karlsruhe: Interview mit Ronny Holzmüller

Ronny Holzmüller ist akademischer Mitarbeiter und Dozent an der PH Karlsruhe im Masterstudiengang „Biodiversität und Umweltbildung“, der am Institut für Biologie und Schulgartenentwicklung angeboten wird. Im Interview hat er uns erzählt, was Nachhaltigkeit aus seiner Perspektive eigentlich ist, wie sie in Karlsruhe umgesetzt wird und welche Rolle Kultureinrichtungen dabei spielen können.

Was zeichnet den Masterstudiengang denn aus? Und was ist dabei dein Spezialgebiet?

An der PH werden einige nicht lehramtsbezogene Studiengänge angeboten. Das ist auch eine Möglichkeit für Menschen, die Lehramt studiert haben und jetzt doch etwas Anderes machen wollen, weil es doch nicht passt. Einer davon ist der Masterstudiengang „Biodiversität und Umweltbildung“. Den Studiengang zeichnet aus, dass er relativ klein ist, maximal 30 Personen studieren ihn in einem Jahrgang. Dadurch ist das Studium sehr persönlich. Das Thema ist der Schutz und die Erhaltung der biologischen Vielfalt, der Biodiversität und die Frage, wie das in die Bildung eingebracht, an die Menschen herangetragen und vermittelt werden kann.

Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um „Biodiversität und Umweltbildung“ studieren zu können?

Den Master kann nicht jede:r studieren: Entweder man bringt ein sozialwissenschaftliches oder ein Lehramtsstudium mit, z.B. Biologie, aber auch andere Fächer, oder man kommt aus den Naturwissenschaften. Ich selbst komme aus der Agrarwissenschaft und habe Ökolandbau studiert. Diese schon vorhandenen Kenntnisse werden dann zusammengeführt: Einige kennen sich aus mit Biologie, andere mit Pädagogik, das ergibt eine gute Grundlage. Mein Spezialgebiet ist Umweltbildung, denn ich wollte immer Leute für Natur und Ernährung begeistern.

Wie würdest du Nachhaltigkeit im Kontext der Stadt definieren?

Rückblickend auf die Ergebnisse der Rio-Konferenz 1992 wurde Nachhaltigkeit definiert als das gute Leben für alle. Wie können Ökologie, Ökonomie und das Soziale zusammengebracht werden? Wie kann die Welt für die Zukunft und die, die nach uns kommen, lebenswert bleiben? Die Stadt ist dabei ein soziales Gebilde. Immer mehr Leute kommen dorthin und wohnen in ihr. Wir müssen uns überlegen, wie wir mit den ökologischen Räumen umgehen, die dadurch vielleicht verdrängt werden. Da gibt es viele spannende Fragen. Wenn ich eine persönliche Definition habe, dann diese: Nachhaltigkeit ist kein Ziel, sondern ein Weg. Im Stadt-Kontext bedeutet das, darüber zu sprechen, wie wir leben und wie wir das gute Leben für alle erreichen. Wie schaffen wir es, gut zu wohnen, zu arbeiten und dabei die Natur zu erhalten?

Wo steht denn deiner Meinung nach Karlsruhe auf diesem Weg?

Karlsruhe verfolgt schon sehr viele gute Ansätze. Wir sind eine grüne Stadt, leben am Oberrhein in einem Hotspot der Biodiversität, haben den Pfälzer Wald, den Schwarzwald und den Rhein. Da ist unheimlich viel Natur um uns herum. Das macht die Stadt lebendig, wirft aber auch die Frage auf: Wie gehen wir damit um? Karlsruhe ist auch Bio-Stadt, das muss mit Leben gefüllt werden. In vielen Bereichen geschieht das schon, z.B. beim Projekt „Stadt.Wiesen.Mensch“, das zeigt, wie die Stadt mit ihren Naturflächen, besonders den Wiesen und Streuobstflächen umgeht. Hier ist Karlsruhe total innovativ und vorbildhaft.

Gibt es sonst noch laufende Projekte in der Stadt?

Es gibt sehr viel Programm zur Umweltbildung in der Stadt Karlsruhe: Zum einen gibt es Institutionen wie das Naturkundemuseum oder das Naturschutzzentrum Rappenwört am Rhein. Dann gibt es die Waldpädagogik hinter dem Schloss mit dem Waldklassenzimmer und das Öko-Mobil vom Regierungspräsidium, mit dem Umweltbildung an die Schulen gebracht wird. Außerdem bietet die Stadt an, dass Umweltpädagog:innen mit ihrem Programm zu Konsum, Ernährung oder Nachhaltigkeit an Schulen kommen, und fördert AGs zu Schulgärten, Umweltschutz und Ähnlichem.

Gibt es auch Projekte, bei denen man sich selbst einbringen kann?

Klassisch gibt es den NABU und den BUND, außerdem einen Umweltkreis an der PH und eine Gruppe am KIT, denen man sich anschließen und bei denen man mitmachen kann. Die Kulturküche bietet viele Angebote speziell zum Thema Ernährung an. Das Slow-Mobil wird von einem ehrenamtlichen Verein betrieben, das mit Slow Food über Ernährungsthemen aufklärt.

Was kann Tourismus im Bereich der Umweltbildung verändern?

Tourismus verändert immer sehr viel, gerade in der Frage, wie wir Naturräume nutzen. Den Ansatz eines achtsamen Umgangs mit allem, was mit uns lebt, finde ich bei einem nachhaltigen Tourismus sehr gut. Es gibt Flächen, auf denen wir die Natur brauchen, weil sie uns gut tut. Die Natur braucht aber auch Flächen für sich, wo sie vor uns geschützt ist. Der Tourismus muss den Spagat schaffen, nicht jede Ecke nutzen zu müssen, sondern uns als Menschen auch einmal zurückzunehmen. Einerseits sind wir in Karlsruhe eine grüne Stadt und bieten das typische Stadt-Erlebnis, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist man aber auch auf nachhaltige, umweltschonende Art und Weise sehr schnell in den Naturräumen.

Welche Rolle spielen Kultureinrichtungen dabei?

Kultureinrichtungen sind sehr wichtig und können viel zur Vermittlung beitragen. Die Hochschule für Gestaltung hat beispielsweise für eine Veranstaltung einmal einen Techno-DJ eingeladen, der auch Biologe ist und eine Biodiversitäts-Show durchgeführt hat. Dafür hat er aus Naturklängen Techno gemacht. Nach seinem Set geht er manchmal auch mit den Teilnehmer:innen auf eine Natur-Exkursion nach draußen und zeigt ihnen, welche Vögel gerade zwitschern. So kann Kultur Nachhaltigkeit mit Leben füllen und auch Fragen danach stellen, welchen Einfluss sie auf die Ökologie und das soziale Miteinander hat. An der HfG gibt es außerdem ein Bio Design Lab, und auch das ZKM beschäftigt sich viel mit nachhaltiger Entwicklung und versucht, Nachhaltigkeit künstlerisch und kulturell umzusetzen. In der Kultur können wir in Gesprächen Dinge aushandeln, Position beziehen und gegeneinander abwägen.

Gibt es Projekte des Studiengangs, die das Stadt- und Kulturleben beeinflussen?

Ein tolles Projekt sind etwa die Mitmach-Gärten, die ein schöner Teil der Stadtkultur geworden sind. Viele Studierende von uns machen bei diesem Urban Gardening-Projekt mit oder gründen sogar selbst Gärten, zum Beispiel in Rüppurr. Auf der anderen Seite gibt es aber auch schon immer eine Faszination für Tiere und Pflanzen, ihre Schönheit und Vielfalt. Um die darzustellen und zu vermitteln, ist Kultur einfach prädestiniert.

Vielen Dank...

für das Interview! Wir sind sehr gespannt, wie es mit der Nachhaltigkeit in Karlsruhe weitergeht und welche spannenden Vermittlungsprojekte uns noch erwarten.