Was macht eigentlich...

eine Videorestauratorin am ZKM?

Zum Interview

Maelle · Februar 2021

Ebenso bunt wie die Karlsruher Kultur ist die Vielzahl an Berufen in der Szene - manch einer skurriler als der andere. In dieser Reihe stellen wir Euch daher Stück für Stück einige Gesichter vor, die dafür sorgen, dass Oper, Ausstellung, Aquarium und Co. so vor unseren Augen erscheinen, wie sie es tun.

#3: Was macht eigentlich... eine Videorestauratorin am ZKM?

Dorcas Müller

... ist Videorestauratorin und leitet das Labor für antiquierte Videosysteme am ZKM. Was genau ihren Beruf ausmacht, erfahrt Ihr im folgenden Interview.

Sie sind von Beruf Videorestauratorin und arbeiten seit 19 Jahren am ZKM. Wie sind Sie in diesem Job gelandet?

Der Initiator des ZKM, Heinrich Klotz, hat ja im selben Zug auch die Hochschule für Gestaltung Karlsruhe (HfG) gegründet. Dort habe ich verschiedene Fachrichtungen studiert und schließlich zwei Abschlüsse gemacht: Ein Diplom in Medienkunst und eine Promotion in Medientheorie. Mein Studium fand in den 1990er Jahren genau im Paradigmenwechsel zwischen analogen und digitalen Gestaltungstechniken statt, so dass ich in der Medienkunst parallel die alte analoge und die digitale Videotechnik kennengelernt habe und von Anfang an die Verarbeitung der audiovisuellen Medien am Computer beherrschen lernte. Beide Welten noch zu kennen, hat mir 2002 bei der Mitarbeit im damaligen ZKM Filminstitut und 2004 bei der Gründung des Labors für antiquierte Videosysteme, welches ich heute leite, sehr geholfen mich nützlich zu machen. Ich restauriere und digitalisiere nun seit über 17 Jahren obsolete Videoformate aus Kunstarchiven und manage vieles, was damit im weitesten Sinne zu tun hat.

Was macht Ihnen in diesem Job in der Kultur besonders Spaß? Was sind die Herausforderungen?

Da ich selbst als Medienkünstlerin Erfahrung mit Ausstellungen habe und gleichzeitig auch großer Fan der Pioniere der Videokunst bin, liegt es mir sehr am Herzen, die Archive meiner Kunstform für die Zukunft auf solide Beine zu stellen. Dazu liefere ich mit meiner Arbeit einen Beitrag zur Kultur und übertrage die analogen Magnetbänder ins Digitale, bevor sie nicht mehr abspielbar sind oder gar chemisch zerfallen. Die Videokunst, die in der Kunstwelt wegen ihrer Kopierbarkeit und offensichtlich technischen Verletzlichkeit nicht angemessen gewürdigt wird, hat für mich gerade deshalb ihren Reiz: sie ist mühsam zu erhalten und zu rezipieren, die Inhalte leben nicht vom Zwang zur Perfektion, ihre Wertschöpfung hat eher einen poetischen denn einen monetären oder gar elitären Charakter. Und dennoch zeigt sie, seit sie in den 1960er Jahren entstanden ist, immer schon alle Aspekte in denen wir Menschen uns heute auf den medialen Plattformen bewegen.

Blick ins ZKM | Labor für antiquierte Videosysteme, Foto: Felix Grünschloss

Blick ins ZKM | Labor für antiquierte Videosysteme, Foto: Felix Grünschloss

Was war bisher Ihr persönliches Highlightprojekt?

Da die audiovisuellen Zeugnisse der Kunst in einem endlosen Prozess entstehen, ist das aufregendste Highlightprojekt natürlich immer dasjenige, am dem ich gerade arbeite! Da Joseph Beuys 2021 hundert Jahre alt geworden wäre und das ZKM seit ein paar Jahren sein Medienarchiv pflegt, arbeiten wir aktuell an einer Video Edition, die viele seiner berühmten Aktionen zeigen wird und teilweise unbekanntes Material erst wieder sichtbar machen wird. Natürlich kann nur ein Bruchteil dessen, was in den Archiven vorhanden ist in so einem Projekt auch erscheinen, aber ich durfte mir natürlich restlos alles ansehen.

Was wissen die meisten Menschen nicht über Ihren Beruf?

Was viele nicht wissen ist, dass sie selbst mit ihren modernen Geräten auch bereits in der Falle der technischen Obsoleszenz stecken. Alle Produkte der elektronischen Industrie haben absichtlich ein Verfallsdatum. Viele Medienformate, die Anwender in ihren Apps, Clouds oder mit Computersoftware heute erzeugen, werden in wenigen Jahren nicht mehr lesbar sein, wenn sie sich nicht um die korrekte Archivierung und Speicherung kümmern.

Blick ins ZKM | Labor für antiquierte Videosysteme, Foto: Felix Grünschloss

Blick ins ZKM | Labor für antiquierte Videosysteme, Foto: Felix Grünschloss

Was war bisher Ihr skurrilstes, lustigstes oder erinnerungswürdigstes Erlebnis auf der Arbeit?

Für eine ZKM Ausstellung digitalisierte ich gerade eine ½ Zoll Open Reel Videoaufzeichnung des New York Avant Garde Festivals 1972, das in einer Grünanlage stattfand. Plötzlich flimmerte John Lennon Luftgitarre spielend über den Bildschirm. Er hatte dort zusammen mit Yoko Ono die Performance „Silent Piece“ aufgeführt – ein Open Air Rockkonzert aber ohne einen Mucks von sich zu geben! Von dem Stück sollten laut Literaturangabe eigentlich nur Fotos existieren. Diese Entdeckung hat mich komplett umgehauen.